Turm der Hexer
sie erfuhr, daß sie die Gesellschaft nach Riva begleiten sollte, geriet Königin Layla völlig außer sich. König Fulrachs mollige kleine Frau hatte entsetzliche Angst vor Seereisen selbst bei ruhigstem Wetter. Sie konnte nicht einmal ein Schiff sehen, ohne zu zittern. Als Polgara ihr mitteilte, daß sie mit ihnen nach Riva reisen mußte, brach Königin Layla prompt zusammen.
»Es wird alles gut, Layla«, wiederholte Polgara immer wieder in dem Versuch, die aufgeregte kleine Königin zu beruhigen. »Ich lasse nicht zu, daß dir etwas geschieht.«
»Wir werden alle ersaufen wie Ratten«, jammerte Königin Layla voller Angst. »Wie Ratten! O meine armen, verwaisten Kinder!«
»Jetzt aber Schluß damit!« sagte Polgara.
»Die Seeungeheuer werden uns alle auffressen«, fügte die Königin düster hinzu, »und unsere Knochen mit ihren gräßlichen Zähnen knacken.«
»Im Meer der Stürme gibt es keine Seeungeheuer«, sagte Polgara geduldig. »Wir müssen gehen. Wir müssen an Erastide in Riva sein.«
»Kannst du nicht sagen, daß ich krank bin, daß ich sterbe?« flehte Königin Layla. »Wenn es etwas nützt, werde ich sterben. Allen Ernstes, Polgara, ich will hier auf der Stelle sterben, aber verlange nicht von mir, daß ich auf dieses schreckliche Schiff gehe. Bitte.«
»Sei nicht albern, Layla«, wies Polgara sie zurecht. »Du hast keine Wahl genausowenig wie wir anderen. Du und Fulrach und Seline und Brendig, ihr alle müßt mit uns nach Riva gehen. Diese Entscheidung wurde getroffen, lange ehe einer von euch geboren war. Jetzt laß diese Dummheiten und geh packen.«
»Ich kann nicht!« schluchzte die Königin und warf sich in einen Stuhl.
Polgara betrachtete die verängstigte Königin mit verständnisvollem Mitgefühl, aber als sie sprach, war ihrer Stimme nichts anzumerken.
»Steh auf, Layla«, befahl sie barsch. »Steh auf und pack deine Sachen. Du wirst nach Riva reisen. Du wirst, und wenn ich dich zum Schiff schleifen und an den Mast binden muß, bis wir da sind.«
»Das würdest du nicht tun!« keuchte Königin Layla, durch diesen Schock so plötzlich von ihrer Hysterie befreit, als hätte man ihr einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf gegossen. »Das würdest du mir nicht antun, Polgara.«
»Nein?« fragte Polgara zurück. »Ich finde, du solltest jetzt besser packen gehen, Layla.«
Die Königin kämpfte sich mühsam auf die Beine. »Ich werde jede Minute seekrank sein«, versprach sie.
»Wenn es dich glücklich macht, meine Liebe«, sagte Polgara sanft und tätschelte der molligen, kleinen Königin liebevoll die Wange.
10
D ie Reise von Sendar nach Riva dauerte zwei Tage. Sie liefen vor dem Wind, das geflickte Segel gebläht, und die schäumende Gischt überzog alles mit einer Eiskruste.
Die Kabine unter Deck war überfüllt, und Garion verbrachte die meiste Zeit oben und versuchte, weder den Matrosen im Weg zu stehen noch allzusehr dem Wind ausgesetzt zu sein. Unvermeidlich ließ er sich schließlich an einem geschützten Heckchen im Bug nieder, den Rücken an die Reling gelehnt, die Kapuze seines blauen Mantels hochgezogen, und dachte ernsthaft nach. Das Schiff rollte und schlingerte im schweren Seegang, und immer wieder fuhr es in tiefe schwarze Wellentäler hinein, so daß die Gischt nach allen Seiten spritzte. Auf dem Meer tanzten weiße Schaumkronen, der Himmel war von einem drohenden, schmutzigen Grau.
Garions Gedanken waren fast so düster wie das Wetter. In den vergangenen fünfzehn Monaten war sein Leben so von der Jagd nach dem Auge in Anspruch genommen gewesen, daß er keine Zeit gefunden hatte, an die Zukunft zu denken. Jetzt war ihre Aufgabe fast vollendet, und er begann sich zu fragen, was geschehen würde, wenn das Auge sich erst wieder in der Halle des Rivanischen Königs befand. Seine Gefährten hatten dann keinen Grund mehr, weiter zusammenzubleiben. Barak würde nach Val Alorn zurückkehren, Silk einen anderen Teil der Welt bestimmt interessanter finden, Hettar, Mandorallen und Relg würden heimreisen, und selbst Ce’Nedra würde nach Tol Honeth zurückbeordert werden, wenn sie die Zeremonie, im Thronsaal zu erscheinen, hinter sich gebracht hatte. Das Abenteuer war fast vorüber, und alle würden wieder ihr normales Leben aufnehmen. Sie würden versprechen, eines Tages wieder zusammenzukommen, aber Garion wußte, daß er sie nie wieder alle gemeinsam sehen würde, nachdem sie sich einmal getrennt hatten.
Er dachte auch über sein eigenes Leben nach. Der Besuch auf
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