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Turner 02 - Dunkle Vergeltung

Turner 02 - Dunkle Vergeltung

Titel: Turner 02 - Dunkle Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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da unten an mir zerrte und eine Anziehungskraft ausübte, der nachzugeben ich verabscheute.
    Ich war nicht mehr in Memphis gewesen seit … wie lange, fast zwei Jahren? Im Wesentlichen scheint sich die Stadt nie sonderlich zu verändern. Fast-Food-Restaurants und Mega-Supermärkte schießen nach wie vor wie Pilze aus dem Boden, die Asphaltdecken der Straßen lösen sich immer weiter in Wohlgefallen auf, es gibt immer längere Straßenabschnitte mit verwaisten Ladenlokalen und Gewerbeflächen, ganze Bürogebäude stehen leer. Wenn’s der Wirtschaft schlecht geht, tauchen die ersten Lecks an den schwächsten Stellen auf. Das Delta hat es in den vergangenen Jahrzehnten schwer getroffen. Man fährt in einer Kleinstadt wie Helena nur ein kurzes Stück den Fluss runter oder drüben bei Rosedale die Hauptstraße entlang, und mindestens die Hälfte aller Läden sieht aus wie ein altes Paar Schuhe. Der Mississippi ist immer noch beeindruckend, bietet aber schon lange keinen Wettbewerbsvorteil mehr.
    Am Stadtrand hielt ich auf einen Kaffee und einen
Hamburger bei Momma’s Café. Der Laden verschwand beinahe hinter einem Dickicht aus Lastern und verbeulten Pick-ups. Selbst hier im Süden werden die Innenstädte immer weniger unterscheidbar, eine einzige lange Kette aus McDonald’s, Kentucky Fried Chicken und Denny’s, während sich kleine, ortsansässige Cafés und Restaurants an die Außenbezirke klammern, als wären sie von der Zentrifugalkraft dorthin geschleudert worden. Mir geht es inzwischen so, dass ich mich dem Innern einer Großstadt, ganz gleich welcher, nur in Etappen nähern kann, wie ein Taucher, der dekomprimieren muss, wenn er hochkommt - bloß dass ich auf dem Weg nach unten bin. Und Momma’s Café war für einen Zwischenstopp genau richtig. Von dort aus fuhr ich weiter, irrte dann für eine Weile durch die Straßen, auf denen ich als Cop Streife gegangen war, und spürte schließlich, wie sich die Stadt um mich herum langsam wieder zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügte. Ich fuhr nach Norden auf der Poplar, dorthin, wo früher die East Highschool gestanden hatte und sich nun eine Ansammlung heimeliger, metallverkleideter Einfamilienhäuser befand, mit kleinen gepflegten Gärtchen davor und dahinter. Weiter vorbei am Overton Square. Gemächlich die Walnut Street hinunter, dann bog ich nach links auf die Vance Avenue und überquerte die Orleans Street. Von dort aus die Abel und weiter nach Norden vorbei an der Beale Street und Union Avenue. Vorbei an der Birch Street 102-A, wo ich meinen Partner Randy erschossen hatte.
    Als ich noch dort gearbeitet hatte, lag das Central
Precinct an der South Flicker Street, im ersten Stock der alten Armor Station. Jetzt befand es sich in der Tillman Street 426 in Binghamton, viele Jahre ein harter, arg strapazierter Teil der Stadt, der sich allem Anschein nach inzwischen wieder auf dem Weg nach oben befand, besonders nach Fertigstellung des Sam Cooper Boulevard im Norden.
    Ich stellte den Wagen auf einem Besucherparkplatz ab, ging hinein und nannte dem diensthabenden Sergeant meinen Namen und den Grund meines Besuchs; er antwortete, es werde sofort jemand zu mir kommen. Sofort, vermutete ich, bedeutete hier so viel wie bei uns »irgendwann die Tage«. Irgendwann kam Sergeant Collins jedenfalls hinter seinem Tresen hervor und führte mich durch ein Riff aus ramponierten, alten Metallschreibtischen zu einem nach hinten gelegenen Büro.
    Sam Hamill hatte etwa gleichzeitig mit mir angefangen. Heute war er, der Himmel stehe ihm bei, Major Hamill, Befehlshaber dieses Reviers. Vierzig Pfund schwerer als damals, erheblich weniger Haare, große, dreieckige Fettablagerungen unter den Augen. Trug einen marineblauen Gabardine-Anzug und eine anthrazitfarbene Krawatte, die Anfang der Siebziger sicher der Hit war.
    »Turner. Du meine Güte!«
    »Man weiß nie, wer oder was in ein Polizeirevier gelatscht kommt, stimmt’s?«
    Er trat hinter seinem Schreibtisch hervor, um mir die Hand zu schütteln. Kostete ihn schon einige Anstrengung, so hinter dem Schreibtisch hervorzukommen. Mir
die Hand zu schütteln vermutlich auch, wenn auch aus einem anderen Grund.
    »Wo, zum Teufel, hast du gesteckt?«
    »Weit weg.«
    Er ließ sich auf eine Art wieder auf seinen Schreibtischsessel sinken, bei der man unweigerlich an Hämorrhoiden oder einen Hexenschuss denken musste. »Hab’s munkeln gehört. Allerdings im Tonfall: ›Hey, er ist weg. Lasst uns feiern!‹«
    »Daran zweifle ich keine

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