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Turner 02 - Dunkle Vergeltung

Turner 02 - Dunkle Vergeltung

Titel: Turner 02 - Dunkle Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Stadt gefahren. Er kam allerdings nicht schnell genug durch und ist im Gefängnis gelandet. Dann sind in seinem
Schlepptau zwei weitere Typen gekommen. Keiner von denen ist geblieben.«
    »Und wieso sollte mich interessieren, was am Arsch der Welt passiert ist?«
    Ich ging zu ihm, half ihm, das Handtuch zu wickeln.
    »Ich muss wissen, wer Judd Kurtz ist. Ich muss wissen, ob er noch lebt. Und ich muss wissen, wer die Gorillas waren, die sich eingebildet haben, sie könnten einfach so in meine Stadt kommen und sie auseinandernehmen.«
    »Das ist aber eine ganze Menge, was Sie müssen.«
    Ich zog die Enden des Handtuchs fest zusammen und verknotete sie.
    »Ich war sieben Jahre lang in einem Staatsgefängnis«, erzählte ich ihm. »Ich bin da drinnen ganz gut zurechtgekommen. Es gibt nicht viel, das ich nicht tun würde.«
    Er senkte den Blick auf sein zerschmettertes Knie. Blut sickerte in das Handtuch.
    »Sieht aus wie’ne Scheißslipeinlage«, sagte er. »Ich seh grässlich aus.« Er schüttelte den Kopf. »Ich seh grässlich aus - stimmt’s?«
    »Könnte schlimmer sein.«
    Er langte nach einer Serviette. Wollte unter sein Sakko greifen und bremste sich dann. »Ich hol mir nur einen Stift raus, okay?«
    Ich nickte, und er zog einen knallgelben Montblanc aus seiner Jackentasche, schrieb, schob die Serviette herüber. Echte Kalligraphie, wie man sie heutzutage nicht mehr sieht, alles wundervoll geformte Schwünge und Schlaufen - ein wenig verunstaltet durch die saugfähige
Serviette, die jeden schönen, routinierten Strich verwischte und ausfranste.
    »Mein Leben ist keine so große Sache, zugegeben«, sagte er, »aber ich hätte schon gern, dass es hier nicht endet.«
    Ich schüttelte den Kopf. Die Sirenen von Feuerwehr und Krankenwagen waren inzwischen recht nahe.
    Mit einem Kopfnicken in Richtung Serviette sagte Atkinson: »Sie finden dort alles, was Sie brauchen.«
    Was ich in diesem Moment brauchte, war ein zügiger Abgang durch die Hintertür, und den genehmigte ich mir dann auch.
    Als ich sie vorhin in die Hand genommen hatte, hatte sich die Kanone vertraut angefühlt. Der Körper hat eine ganz eigene Art der Erinnerung. Ich ließ den Wagen an, zog den Sicherheitsgurt über meine Brust und ließ den Verschluss einrasten. Legte den Gang ein. Der Körper erinnerte sich, wo wir gewesen waren, selbst wenn der Verstand sich abwendet. Ich ließ die Kupplung kommen und fuhr los, die heißen Drähte brannten wieder in mir, weiß glühend. Grell.

Kapitel Acht
    Die Uniform meines Vaters hing hinten in einem Schrank im vorderen Teil unseres Hauses, in einem nicht genutzten Zimmer. Ich fand sie dort an einem verregneten Samstagnachmittag. Sie roch nach Mottenkugeln - Kampfer, wie ich später erfuhr. Wieder und wieder ließ ich die Finger über den kratzigen, steifen Stoff gleiten. Dad hatte nie über seine Zeit beim Militär gesprochen, was er dort getan hatte. In meiner kindlichen Fantasie ließ ich ihn in Sherman-Panzern Wüsten durchqueren oder in Jagdmaschinen Sturzflüge machen, die schwer nach Sopwith Camels aussahen in einem Himmel voller Kugeln, Rauch und zerberstenden Flugzeugen. Viel später, nach seinem Tod, erzählte Mutter mir, dass er beim Nachschub gearbeitet hatte.
    Ich war damals, ich weiß nicht, ungefähr zwölf Jahre alt. Es war einige Jahre später, als Al in der Stadt aufkreuzte.
    Er hatte gedient, sagten die Leute, in einem Land namens Korea. Davor, fügten sie hinzu, sei er der beste Fiedler des County gewesen, aber die Musik hätte er aufgegeben. Er arbeitete im Eishaus, wuchtete fünfzig Pfund schwere Eisblöcke mit riesigen Zangen von der Rampe und schaute sich dabei ständig um, zum Himmel, zu den zerbrochenen Fenstern im alten Kraftwerk
auf der anderen Straßenseite, so als wäre er eigentlich gar nicht wirklich da, nur sein Körper, der immer und immer wieder dieselben Sachen tat, wie eine Maschine. Ständig trug er dieses angedeutete Lächeln auf dem Gesicht. Er nahm sich ein Zimmer über dem Eishaus, ging jedoch nur zum Schlafen dorthin. Die restliche Zeit war er auf den Straßen unterwegs oder saß auf der Bank am Ende der Main Street und starrte stundenlang in den Wald hinein. Kurz nachdem ich ihn kennenlernte, wurde das Eishaus geschlossen und er verlor seinen Job. Sie ließen ihn weiter in dem Zimmer wohnen, doch dann rissen sie das Gebäude ab, und er verlor auch das, also lebte er draußen im Freien, schlief, wo immer er konnte. Später sollte ich noch eine Menge mehr Leute wie Al

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