Twin Souls - Die Rebellin: Band 2 (German Edition)
wenden, aber er blieb noch einen Moment an der geschlossenen Tür stehen.
» Hör zu « , sagte er, » jeder hat eine Geschichte zu erzählen. Jeder will etwas. Du darfst ihnen nicht allen vertrauen. «
» Wem sollen wir denn dann vertrauen? « , fragte ich.
Er musterte mich. » Ich weiß nicht « , sagte er leise.
Dieses Mal ging er davon, ohne zurückzublicken.
Kapitel 21
Emalia und Nina saßen aufs Sofa gekuschelt, als ich mich schließlich aus unserem Zimmer wagte. Emalias Arm lag um Ninas Schultern, beide lachten über eine Fernsehsendung. Ich hatte uns gerade ein Glas Saft eingegossen, als Addie sagte: , und weg war, einfach so.
Sie ließ mich mitten in der Küche stehen, ein Glas Orangensaft auf halbem Weg an meine Lippen, meine Füße kalt auf den Fliesen.
Nina rief: » Gießt du mir auch eins ein? «
Ich gab ihr meins, weil ich es nicht mehr wollte. Irgendwie war mir bis zu diesem Moment nicht in vollem Umfang bewusst gewesen, dass Addie mich verlassen könnte, obwohl ich nicht wollte, dass sie ging.
» Setzt du dich zu uns? « , fragte Emalia. Ich schüttelte den Kopf.
Das Klopfen an der Tür ertönte, lange nachdem die Sendung zu Ende war. Nina stand unter der Dusche. Ich lief in unserem Zimmer auf und ab und kam erst heraus, als ich Emalia sagen hörte: » Oh, hallo, Lissa. Wie geht’s dir? «
» Mir geht es gut. « Lissas Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, und sie sagte nichts weiter, bis sie mich im Flur stehen sah. In den Armen hielt sie ein Bündel Klamotten und ein Handtuch, eine kleine Jeanstasche hing über ihrer Schulter. » Ich habe mich gefragt … « Ihr Blick flog zwischen Emalia und mir hin und her. » Kann ich vielleicht hier schlafen? «
Ich sagte nichts. Ich hatte Lissa oder Hally seit dem Tag, als sie sich geweigert hatten, erneut mit zum Dachboden zu kommen, kaum zu Gesicht bekommen. Sie hatten sich in Henris Wohnung verborgen gehalten, wo sie sich in Büchern vergruben, nahm ich an. Oder vielleicht auch einfach aus dem Fenster guckten, wie sie es häufig taten.
» Na klar, Lissa « , sagte Emalia schließlich. » Du kannst hier schlafen, wann immer du möchtest. «
Emalia besaß keinen Schlafsack, und die Betten waren zu schmal, um zu zweit darin zu schlafen, daher breiteten Lissa und ich Decken im Wohnzimmer aus. Natürlich wollte Nina auch mitmachen. Sie schnappte sich ihre Decke und sicherte sich das Sofa, während Lissa und ich noch damit beschäftigt waren, den Wohnzimmertisch aus dem Weg zu tragen.
Wir bewegten uns unbeholfen, sahen uns nicht in die Augen.
Emalia, die am nächsten Tag arbeiten musste, ging ins Bett. Wir anderen guckten das Spätabendprogramm im Fernsehen in einer Lautstärke, die kaum hörbar war. Irgendwann döste Nina ein. Lissa und ich guckten danach noch ein bisschen weiter, aber schon bald kamen auf den meisten Kanälen nur noch Werbesendungen, und ich schaltete den Fernseher aus. Das Wohnzimmer wurde in Dunkelheit und Schweigen getaucht. Addie war noch immer nicht zurückgekehrt. Die warme Stelle, wo sie hätte sein sollen, lag ebenfalls dunkel und schweigend da.
Lissa hatte sich von mir abgewandt zusammengerollt und war so still, dass ich schon dachte, sie sei ebenfalls eingeschlafen. Aber dann hörte ich ein leises: » Eva? «
» Ja? « , flüsterte ich.
Sie wandte sich um, damit sie mich ansehen konnte. Sie hatte ihre Brille abgesetzt und ihr Gesicht sah ohne sie anders aus – verletzlicher. Ich wappnete mich, um auf jede Frage vorbereitet zu sein: Was habt ihr vor, du und die anderen? Warum machst du das? Warum hast du nicht mit mir geredet? Warum hast du mich alleingelassen?
Aber mit der Frage, die sie mir stellte, hatte ich nicht gerechnet.
» Fragst du dich je, warum wir so sind? Warum Menschen hybride sind? Warum manche von uns es sind und manche nicht? «
Lissas Blick suchte meinen und ich nickte. Natürlich hatte ich mich das schon gefragt. Wie nicht?
Und was denkst du?
Das wäre die nachvollziehbare nächste Frage gewesen, aber sie stellte sie nicht und ich genauso wenig. Es fühlte sich zu intim an, sie auszusprechen. Alle Hybride mussten sich fragen, warum ihnen dieses Schicksal bestimmt war. Ich hatte es mich schon als Kind gefragt, das allein auf dem Spielplatz blieb. Lissa hatte bis zur zweiten Klasse von der Welt abgeschirmt zu Hause gelebt, ohne jemand anderen als ihre Eltern und ihren Bruder zu sehen. Hieß das, sie hatte eher begonnen, sich diese Fragen zu stellen, oder später?
» Es
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