Twin Souls - Die Verbotene: Band 1
unterhielten, warfen uns einen kurzen Blick zu, ehe sie ihr Gespräch wieder aufnahmen. Sie trugen identische grau gestreifte Uniformen und hatten beide die Haare zu einem Dutt hochgesteckt.
‹Wo lang?›, fragte Addie, guckte nach rechts, dann nach links und wieder nach rechts.
‹Keine Ahnung. Links. Geh nach links.›
Sie rannte den Flur entlang, unser Blick flog auf der Suche nach einem vertrauten Gesicht zwischen unserer Handfläche und den Leuten um uns herum hin und her.
Rot weiß rot weiß rot weiß rot weiß rot.
‹Wo ist er?›
Schuhe quietschten auf dem gefliesten Boden. Wir schossen um die Ecke und wären beinah mit jemandem zusammengestoßen, der uns entgegenkam. Er schrie erschrocken auf und ließ einen Stapel Akten fallen. Überall auf dem Boden verstreut lagen Blätter. Weiß auf weiß.
»Entschuldigung …«, sagte Addie. Sie kniete sich hin und schnappte sich ein Blatt, bevor es davonsegeln konnte.
»Kein Problem.« Der Mann lachte und bückte sich ebenfalls. »Weswegen die Eile?«
»Ich war auf der Suche nach der Toilette«, sagte Addie.
Er lachte wieder. »Dann geh schon. Ich komme klar.«
»Nein, so schlimm ist es nicht«, sagte Addie. Wir sahen ihm nicht in die Augen.
»Wessen Kind bist du?«, fragte er, während wir die übrigen Aktenmappen und Blätter vom Boden aufsammelten. Unsere Augen erhaschten einen Blick auf einen schwarz-weißen Gehirnscan, dann einen Namen. Auf dem Blatt darunter war ein weiterer Scan neben einem anderen Namen abgebildet.
»Wie bitte?«, sagte Addie.
»Bist du nicht das Kind von jemandem?«, fragte der Mann. »Die Tochter von jemandem, meine ich?«
Sie schüttelte unseren Kopf.
Er runzelte die Stirn. »Nein?«
Cortae, Jaime stand auf dem Blatt in unserer Hand. Hybrid. Zwei Scans waren nebeneinander abgebildet. Sie sahen beinah identisch aus, bis auf den schwarzen Fleck, der den rechten verunzierte. Unter jeden Scan war ein Datum gekritzelt worden. Einer lag ungefähr eine Woche zurück. Der andere war von heute. Unter den Daten stand noch etwas: Alter: 13, Ethnie: Latino, Größe: 1,52 Meter, Gewicht …
Der Mann riss uns das Blatt aus der Hand, bevor wir noch mehr lesen konnten.
»Du bist doch keine Patientin, oder?« In seiner Stimme lag nicht mehr der geringste Hauch eines Lächelns.
Addie zögerte. Der Mann schnappte sich die restlichen Papiere und stopfte sie zurück in seine Aktenmappen.
»Ich bin nur für einen Check-up hier«, sagte Addie. »Mr Conivent, er …«
»Wieso trägst du Straßenkleidung?«, sagte er. »Solltest du nicht irgendwo sein?«
‹Dr. Wendle›, sagte ich. ‹Erzähl ihm, dass wir von Dr. Wendle untersucht werden.›
»Wir waren nur bei Dr. Wendle«, sagte Addie rasch. »Er … er hat bei uns einen Scan gemacht.«
»Bei uns?«, sagte der Mann.
Addie erbleichte. »Bei mir und einem anderen Kind«, sagte sie. »Er wird sich Sorgen machen, wo ich so lange bleibe. Ich … ich muss los.« Wir fuhren herum und sausten zurück in die Richtung, aus der wir gekommen waren. Als der Mann etwas hinter uns herrief, ignorierten wir ihn und beteten, dass uns niemand zwingen würde, stehen zu bleiben. Was niemand tat. Addie raste um eine Ecke und presste unseren Rücken gegen die Wand. Unsere Augen schlossen sich für einen Moment, ehe sie wieder aufsprangen.
Ich zitterte.
Uns.
Addie hatte uns gesagt.
Das letzte Mal, als Addie laut von uns gesprochen hatte, war die Zahl der Kerzen auf unserem Geburtstagskuchen noch einstellig gewesen. Wir hatten einander noch versprochen, dass nichts und niemand uns je trennen würde. Es waren sie und ich gegen den Rest der Welt gewesen.
‹Wir sollten zurückgehen, bevor Dr. Wendle uns suchen kommt›, sagte ich sanft.
‹Klar›, sagte Addie. ‹Klar, ich weiß, Eva.›
Aber ich hörte das Zaudern in ihrer Stimme.
Kapitel 15
Es war nicht schwer, Dr. Wendles Untersuchungszimmer wiederzufinden. Sämtliche Türen waren mit kleinen Schildchen versehen, wir brauchten nur den Nummern zu folgen. Was wäre, wenn wir nicht zurückgingen?, hätte ich am liebsten gesagt. Was, wenn wir den Aufzug wiederfänden und damit zurück ins Erdgeschoss führen? Was, wenn wir einfach an der Empfangsdame und dem Wachmann an der Tür vorbeispazierten … Aber ich sagte nichts, denn was dann?
Es war besser zu bleiben. Zu bleiben und zu tun, was sie verlangten, und abzuwarten, denn Dad würde kommen und uns nach Hause holen. Das hatte er versprochen.
Abgesehen davon mussten wir Hally und Ryan finden. Wir
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