Twin Souls - Die Verbotene: Band 1
»Ein perfekter Tag für eine Operation.«
Es war ein wunderschöner Tag. Das bekamen wir mit eigenen Augen zu sehen, als uns eine Krankenschwester die zwei Stockwerke nach unten und zur Hintertür hinaus führte. Ein Ruck war durch die Kinder gegangen, sobald wir nach der Studierzeit die Treppe betreten hatten, ein beinah köperlich spürbares, aufgeregtes Summen lag in der Luft.
»Sie bringt uns nach draußen«, flüsterte Kitty. Es war das Erste, das sie seit unserer Rückkehr zu uns sagte, und obwohl sie uns dabei nicht ansah, hatte sie es gesagt, und das bedeutete etwas.
Was hatten die Krankenschwestern den anderen erzählt, falls sie überhaupt etwas gesagt hatten? Hatten sie ihnen befohlen, uns aus dem Weg zu gehen, oder war das gar nicht nötig gewesen? Besser denen aus dem Weg gehen, die Ärger machen, so wie Cal, wie Eli, aus Angst sich ebendiesen Ärger einzuhandeln.
Der Hof war viel größer, als er vom Fenster im zweiten Stock aus wirkte. Der Maschendrahtzaun erstreckte sich vom Boden bis gut einen Meter über unsere Köpfe und verfügte nicht über ein Tor. Wir waren aus dem einen Käfig befreit worden, nur um in einem weiteren gefangen zu sein. Aber während das Innere der Klinik steril und kühl war, hatte man sich zumindest bemüht, den Hof heimeliger zu gestalten. Jedenfalls hatten sie ihn mit mehreren Spielmöglichkeiten ausgestattet: Einem Basektballkorb an einer klapprigen Halterung, einem Plastikspielzeug für Kleinkinder, mit dem selbst Cal kaum etwas hätte anfangen können. Halb verblasste Hüpfekästchen bedeckten den Boden. Ein Spielhaus in grellem Pink und Rot kauerte sich in eine Ecke, seine Plastiktüren standen sperrangelweit offen. Und das war nur das, was wir von der Treppe aus sehen konnten; der ungleichmäßige Schnitt des Gebäudes verbarg gewisse Teile des Hofes vor unseren Augen.
Die Krankenschwester begann, Springseile mit Plastikgriffen und Gummmibälle auszuteilen. Sie wurden ihr aus der Hand gerissen, kaum dass sie sie aus der Tasche gezogen hatte. Dann, mit lachendem Geschrei, das beinah überdreht klang, verteilten sich alle. Kitty warf uns einen Blick über die Schulter zu, zögerte, folgte dann aber den anderen.
Unser Kopf war immer noch von dem Dröhnen erfüllt, das Mr Conivents Worte ausgelöst hatten. Wo waren Lissa und Hally? Dr. Lyanne hatte gelogen, als sie gesagt hatte, ihnen ginge es gut. Wie konnte es ihnen gut gehen, wenn man sie auf diese Weise vor allen versteckte? Sie auf diese Weise von der Gruppe trennte?
Wir entdeckten Ryan am anderen Ende des Hofes, halb verborgen von der einen Gebäudeseite, in einen schmalen Spalt zwischen der rauen Wand und dem Maschendrahtzaun gepresst. Die Krankeschwester vermittelte gerade in einem Streit zweier Kinder um einen Gymnastikball, und Addie nutzte die Gelegenheit, um an ihr vorbeizuhuschen und auf die verborgene Enklave zuzuhalten.
»Addie«, sagte Ryan, als wir in den Schatten des Gebäudes schossen. Seinen Rücken hatte er an die Wand gedrückt, aber er kam auf uns zu, als er zu sprechen begann. »Gott sei Dank. Was ist passiert? Geht es dir gut? Wo ist sie? Wo ist meine Schwester?« Sein Blick blieb immer wieder an den Verbänden um unseren Kopf, unsere Hand, unsere Beine hängen. »Was ist passiert?«
»Ich weiß nicht, wo Lissa ist«, sagte Addie.
Er erstarrte. Der Ausdruck auf seinem Gesicht brachte die Übelkeit zurück, brachte etwas in mir dazu, sich stärker und stärker zu verbiegen, bis ich das Gefühl hatte, ich müsse zerbrechen. »Wie kann es sein, dass du das nicht weißt? Sie war bei dir. Oder etwa nicht?«
Addie erzählte ihm, wie wir das Fenster eingeschlagen hatten, um in Lissas Zimmer zu gelangen. Von der Flucht über das Dach. Wie wir gefallen und in der Dunkelheit aufgewacht waren. Was und wen wir dort entdeckt hatten.
Sie berichtete ihm von der entsetzlichen Erkenntnis, die alles in Gang gesetzt hatte. Was wir in Dr. Lyannes Büro entdeckt hatten – von den Impfungen, von Eli und Cal. Was der Mann von der Komission gesagt hatte, als sie Lissa in ihrem Zimmer eingesperrt hatten.
Ryan sagte nichts, als Addie innehielt, um Luft zu holen. Er starrte uns nur regungslos an. Der Tag war glühend heiß, selbst im Schatten der Klinik. Schweiß ließ unsere Bluse an der Haut festkleben. Addie wiederholte, gerade laut genug, dass Ryan sie hören konnte, was Mr Conivent uns am Morgen ins Ohr geflüstert hatte.
Einen langen Moment – einen langen, langen, unerträglichen Moment – sagte
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