Twist again: Die Spellmans schlagen zurück (Familie Spellman ermittelt) (German Edition)
Wasserdruck nach, und eines Tages fragte ihn sein Nachbar Tom, wie er denn mit seiner neuen Untermieterin auskäme. Außerdem drang jeder Ton aus meinem Telefonschrank direkt in seinen Vorratsraum.
Da er das Versteckspiel immerhin seit einem Monat duldete, fragte ich ihn: »Warum hast du mich nicht rausgeschmissen?«
David zuckte mit den Schultern. »Du machst offensichtlich eine schwere Zeit durch – hast keinen Job, musst zu dieser Zwangstherapie, was weiß ich noch alles. Ich habe mir gedacht, dass du vermutlich pleite bist und dir sonst nichts anderes übrigbliebe, als wieder zu Mom und Dad zu ziehen. Das wollte ich dir nicht antun.«
Diese Antwort war für meinen Bruder so untypisch, dass ich eine Weile brauchte, um sie zu verdauen.
»Danke. Ich ziehe so bald wie möglich aus, versprochen.«
»Nur keinen Stress«, erwiderte er.
»Du bist so ungewöhnlich nett – was steckt dahinter?«
»Ich bin dein Bruder. Da darf ich auch mal nett sein.«
»Ich möchte bloß verstehen, warum du diesmal so ausgesprochen nett warst.«
»Ganz ehrlich? Weil du so ... so jämmerlich dran warst.«
»Stimmt«, sagte ich.
»Du musst unter die Dusche.«
Da hatte er recht. Das letzte Mal lag drei Tage zurück.
Ich wollte gerade aufstehen, als mir auffiel, dass David zwar wieder gepflegt und kerngesund aussah – die Verletzung, die er sich in der Wildnis zugezogen hatte, war verheilt –, aber trotzdem um kurz vor zwölf an einem Werktag im Bademantel zu Hause saß.
»Was ist heute für ein Tag?«, fragte ich sicherheitshalber.
»Mittwoch.«
»Und du hast immer noch Ferien?«
»Du bist wirklich die geborene Detektivin.« David spielte auf Zeit. Wahrscheinlich überlegte er, ob er mir die Wahrheit erzählen oder eine Lüge auftischen sollte. Die Wahrheit trug den Sieg davon.
»Ich habe gekündigt«, sagte er.
»Ist nicht wahr!«
»Doch.«
»Warum?«, wollte ich wissen.
»Weil mir die Arbeit so sinnlos vorkam. Und wenn ich schon siebzig Stunden die Woche arbeite, sollte ich darin einen Sinn sehen, meinst du nicht?«
»Doch. Wissen Mom und Dad Bescheid?«
»Noch nicht. Erzähl ihnen bitte nichts.«
»Verlass dich drauf«, sagte ich. »Das ist das Mindeste, was ich nicht tun kann.«
»Noch Kaffee?«, fragte David und schenkte mir dann ein, ohne meine Antwort abzuwarten.
»Jetzt sag schon: Bist du mein Erpresser?«
THERAPIESITZUNG NR. 20
[Teiltranskription wie folgt:]
ISABEL : Tut mir leid, dass ich letzten Montag nicht erschienen bin.
DR. RUSH : Verraten Sie mir den Grund.
ISABEL : Ich war deprimiert.
DR. RUSH : Ein guter Grund, die Therapie nicht ausfallen zu lassen.
ISABEL : Ich bin nicht mal aus dem Bett gekommen.
DR. RUSH : Geht es Ihnen jetzt besser?
ISABEL : Immerhin bin ich aus dem Bett gekommen.
DR. RUSH : Wie sind Sie da überhaupt hineingeraten?
ISABEL : Ein paar Freunde sind weggezogen. Jeder verändert sich, nur bei mir bleibt alles immer so, wie’s ist.
DR. RUSH : Sind Sie sich da so sicher?
ISABEL : Ich weiß nicht. Wenn man im Bett bleibt, passiert gar nichts. Das ist das Tolle daran, verstehen Sie?
DR. RUSH : Auch dann passiert alles Mögliche.
ISABEL : Aber ich kann so tun, als ob das nicht der Fall wäre.
DR. RUSH : Das wird Sie auch nicht weiterbringen.
[Lange Pause.]
ISABEL : Mein Vater hat mir fünf Nachrichten auf die Mobilbox gesprochen, als ich schlief oder so halb schlief. Das erste Mal wollte er mich zum Lunch einladen, und ich dachte zunächst, dass er mich bestimmt an den Ablauf meiner Bedenkzeit erinnern wollte. Beim zweiten Mal sagte er aber, dass wir gar nicht über die große Entscheidung zu reden brauchen. Dennoch hat er mich wieder zum Lunch eingeladen. Was hat er nur immer mit diesen Lunch?
DR. RUSH : Erklären Sie es mir.
ISABEL : Vielleicht hat er bloß Hunger.
DR. RUSH [mit einem Anflug von Ungeduld]: Sie müssen doch eine Erklärung haben, die darüber hinausgeht.
ISABEL : Eigentlich nicht.
DR. RUSH [seufzend]: Isabel.
ISABEL : Ständig wirft man mir vor, immer nur an mich zu denken, aber das ist nicht fair. Ich nehme auch die anderen wahr. Ich sehe, dass mein Vater älter wird, dass er sich um mich sorgt und nichts unversucht lassen will. Er liebt mich, und wenn wir uns sehen, will er immer erfahren, wie es mir wirklich geht, und das macht mir zu schaffen, weil ich es selbst gar nicht so genau wissen will.
DR. RUSH : Warum? Was ist daran so schlimm?
ISABEL : Nehmen wir nur mal die Arbeit. Wenn ich mir vorstelle, künftig nichts anderes mehr zu
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