Twist again: Die Spellmans schlagen zurück (Familie Spellman ermittelt) (German Edition)
Schrank und prüfte das Schloss. Mir blieb voraussichtlich noch eine Viertelstunde, bevor Harkey von seinem Mittagstermin zurückkam. In dieser kurzen Zeit heftete ich so viele Unterlagen wie möglich ab, einige legte ich vorsätzlich falsch ab – Munition, falls ich mich in absehbarer Zeit feuern lassen wollte.
Die Ermittlung lief zwar unter dem Namen Bancroft, aber in Wahrheit bezog sie sich doch auf Linda Truesdalenicht-Black. In der Akte steckten ein Observierungsprotokoll, eine Hintergrundüberprüfung und eine Liste von fehlgeschlagenen Versuchen, an die finanziellen Daten der Dame heranzukommen. Am Ende des Observierungsprotokolls wurde auf MP 3-Dateien verwiesen. Also hatte Harkey zu diesem Fall auch Tonaufnahmen.
Laut Protokoll hätten sich diese Dateien auf dem XYZ -Laufwerk befinden müssen, das ich aber nicht finden konnte, als ich im Computer nachsah. Offenbar waren sie gutversteckt, was mich keineswegs abschreckte. Ich würde mir schon etwas einfallen lassen, um an sie heranzukommen.
Genau anderthalb Stunden nachdem mein Chef zu seinem Termin aufgebrochen war, hörte ich ihn lautstark in sein Handy sprechen, während er sein Büro ansteuerte. Ich schloss umgehend das Benutzerverzeichnis, kehrte ins Archiv zurück und tat so, als würde ich hingebungsvoll Staub von den Aktenschränken wischen.
DURCHSICHTIGER ALS LUFT
Der Aktenfund war bei weitem nicht so hilfreich wie erhofft, jedenfalls nicht, solange ich keinen Zugriff auf die MP 3-Dateien hatte. Als meine Schicht bei Harkey beendet war, beschloss ich spontan, zu meinen Eltern zu fahren und ihren Rat einzuholen – auch wenn ich ihnen dann beichten musste, dass ich nun auf eigene Faust ermittelte.
In der Küche fand ich nur Rae vor, sie saß von aufgeschlagenen Heften und Büchern umgeben am Tisch und kaute ausnahmsweise mal kein Bonbon, sondern an ihrem Bleistift.
»Was machst du denn?«, fragte ich, als hätte ich keine Augen im Kopf.
»Für die Vorprüfungen lernen, was sonst?«
Da kam Dad in die Küche. Ich fragte ihn: »Kann ich dich mal eine Minute sprechen?«
Er setzte sich Rae gegenüber an den Tisch und fing an, Joghurt zu löffeln. Ich setzte mich zu ihm und wiederholte meine Frage. Dad löffelte weiter, als wäre ich gar nicht anwesend.
In einem weniger übermüdeten Zustand hätte ich gleich erkannt, dass Dad mir auf diese Weise wieder irgendetwas heimzahlen wollte. Doch nun starrte ich ihn an wie einen Außerirdischen und wandte mich hilfesuchend an meine Schwester.
»Was ist mit ihm los?«
Rae warf Dad einen flüchtigen Blick zu und sagte: »Er will nicht mit dir reden.«
»Hey, Dad, redest du mit mir?«, fragte ich.
Keine Antwort.
»Saublöde Frage«, sagte Rae. »Wenn er nicht mit dir reden will, wird er sie garantiert nicht beantworten.«
»Dann frag du ihn«, entgegnete ich.
»Dad, redest du nicht mit Isabel?«, fragte Rae.
»Isabel? Welche Isabel?«, antwortete er.
Sie drehte sich zu mir. »Es ist schlimmer, als ich dachte.«
Als hätten wir sie gerufen, erschien Mom in der Küche. Ich fragte sie: »Weißt du, warum Dad nicht mit mir redet?«
»Ich rede auch nicht mit dir«, sagte sie und widersprach sich damit gewissermaßen selbst.
Weil Rae die Einzige war, die überhaupt noch bereit schien, mich wahrzunehmen, fragte ich sie ein weiteres Mal:
»Wieso reden sie nicht mit mir?«
»Wenn ich es richtig verstanden habe, liegt es daran, dass du jetzt für Rick Harkey arbeitest. Warum tust du dir das an? Der Typ ist doch zum Brechen.«
Dad räusperte sich beifällig.
»Außerdem ist er Dads Erzfeind«, fuhr Rae fort.
»Ich danke dir«, sagte er zu Rae.
»Ich kann alles erklären«, rief ich. »Würde mir einer von euch vielleicht zuhören?«
Dad stand auf, warf den Joghurtbecher in den Müll und begab sich ins Büro. Mom sagte: »Diesmal hast du den Bogen wirklich überspannt, Isabel«, und verließ ebenfalls den Raum.
»Ich kann alles erklären«, wiederholte ich. »Wenn einer von euch mir vielleicht zuhören würde?«
»Ich!«, sagte Rae, aber da war ich schon aus dem Haus gestürmt.
Die anderthalb Kilometer zu Davids Haus zogen sich ewig hin. Meine Füße waren wie Blei, und ich musste gegen den Wind ankämpfen. Ich sehnte mich nach einer mehrstündigen Busfahrt, aber ich würde mich wohl mit einem Bett zufriedengeben müssen. Ich würde so oder so lernen müssen, in Davids Wohnung zu schlafen. Unterwegs kaufte ich mir in einem Drugstore Erkältungsmedizin für die Nacht. 65
Es gelang mir, unbemerkt
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