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Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Titel: Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loons Gerringer
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erinnerte ihn an jemanden … irgendeine Schauspielerin … er kam nicht
darauf.
    „Fahr die Zunge wieder ein, Mann!“, flüsterte Juniper
neben ihm. „Sonst stolperst du noch drüber! Wir müssen uns jetzt noch mal verbeugen!“
    Richtig. Der Mann, Präfekt Gascoigne oder Maikron von
Maikonnen, war am Ende seiner Ansprache angekommen, und James fand nun auch
eine Sekunde Aufmerksamkeit für den letzten hochwürdigen Zuschauer – und dabei zugleich
eine Nachhilfe für seine Erinnerung. Denn der junge Mann, der Lindine Gascoigne
den Sessel zurechtrückte, war ganz offensichtlich ihr Sohn – und dem war er
schon einmal begegnet. Der Anblick seines Gesichts rief ihm außerdem sofort die
Reitermaske ins Gedächtnis, hinter der es damals zum Vorschein gekommen war.
Das hier war Claude Gascoigne, der Anführer der Rittergarde, der ihnen Nella
zurückgegeben hatte. Von dem anderen Sohn, Ulric, der ihm eine üble Aufgabe
erspart hatte, war dagegen nichts zu sehen.
    Während das Publikum endlich Platz nahm, erwiesen die
Montagus ihren Respekt und verbeugten sich noch einmal sehr tief vor dem
Bretvaldan, der ziemlich gelangweilt über sie hinwegsah, und dann ein kleines
bisschen weniger tief vor dem Präfekten und seiner Frau. Um deren Lippen, die
die Farbe dunkler Rosen hatten, spielte dabei ein ironisches Lächeln, das James
alles andere als ermutigend fand. Aber dann verdrängte er energisch das
Publikum und alles außer Warric von Strath aus seinen Gedanken. Sie
verschwanden hinter den Kulissen, Brogue mit der Udd blieb als einziger auf der
Bühne zurück, und das Stück begann.
     
    7.
    „ Und aller Tage düstrer Abend neigt sich –“,
sagte John mit lauter, ruhiger Stimme – und verstummte, an derselben Stelle, an
der er bei der ersten Probe aufgegeben hatte.
    Für einen Moment schienen nicht nur alle Montagus zu
erstarren, sondern der ganze Saal gefror. Kein Rascheln war mehr zu hören, als
hielte jeder die Luft an, so bezwingend war der Ernst dieser Stimme.
    „ Und aller Tage düstrer Abend neigt sich, und Nacht
zieht überm Rand der Welt herauf “, fuhr er dann fort, und die Montagus
atmeten auf.
    Es geschah etwas mit ihnen an diesem Abend auf der
Bühne, James spürte es spätestens jetzt ganz deutlich. Das hölzerne Stück erwachte
zum Leben durch sie, die simpel gestrickten Figuren gewannen plötzlich
Persönlichkeit, unter den blökenden Parolen öffneten sich unvermittelt Abgründe
von Gefühl. Vielleicht begann es damit, dass alle verzweifelt versuchten, ihr
Bestes zu geben, aber dann wurde es wie ein Rausch, mit dem einer den anderen
ansteckte. Sie vergaßen ihr Publikum, die ferne Szenerie des verheerten Landes
gewann immer mehr Wirklichkeit für sie, auf einmal rangen sie tatsächlich
darum, neue Hoffnung für eine zerstörte Welt zu erkämpfen –
    Stanwell, der es von allen am schwersten hatte, machte
seine Sache richtig gut. Sein Samrakin hatte nicht die spielerische, fast
tänzerische Anmut, die Firn dieser Rolle verlieh, aber dafür gab Stanwell ihm
eine ruhige Würde, die ihm ebenso gut stand. Ein paar Mal stockte er,
überspielte es aber geschickt und fing das Stichwort, das der alte Wills ihm
gab, immer schnell wieder auf. Er starb nicht mit Firns spektakulärem
Pumaweibchen-Schrei, dafür aber weckte der stille Tod dieses Samrakin auf
einmal Zweifel an Warrics Gerechtigkeit.
    Haminta war auf dem Seil so hinreißend wie eh und je
und bekam einen Szenenapplaus. Bei dem Dialog, in dem sich Athalais zum Verrat
an Ehemann und Heimatland entschließt, um mit Samrakin zu gehen, weinte sie
wirklich. Für Sekunden überwältigte sie das Schluchzen so, dass sie gar nicht
weitersprechen konnte, und auch das Publikum spürte betroffen, dass hier etwas
unterhalb des Stückes passierte, etwas, das wahr und echt war. Und James und
vielleicht alle Montagus wussten, dass sie um ihren toten Bruder weinte, um
ihre verbaute und Halfasts verlorene Zukunft und um den Schmerz ihrer Eltern.
Während er ihr zuhörte, wie sie sich fing und weitersprach und ihre Stimme
immer sicherer wurde, konnte er beinahe hören, wie sich die Trauer dabei in
etwas Anderes, Neues verwandelte. Und er wusste plötzlich auch, dass sie in
dieser Nacht miteinander schlafen würden – vorausgesetzt, sie fanden irgendwo
einen ungestörten Platz.
    Sogar er selbst brachte seine von umständlichen
Wendungen gespickte Diplomatenrede an Samrakin so gut über die Bühne wie kein
einziges Mal während der Proben und starb am Ende einen stolzen

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