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Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Titel: Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loons Gerringer
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Warum dieser Welt hier auf
die Spur zu kommen. Salkurning war seine Welt, eine Welt, in der er
unbehelligt tun konnte, was er wollte – in der immer alles irgendwie zu seinen
Gunsten verlief. Erst seit er mit Persepha von der Skildaren geflohen
war, hatte dieses Gefühl eine verstörende Qualität angenommen. Dass dies alles
hier nur eine Wirklichkeit gewordene Landschaft seiner Seele sein könnte. Dass
sich etwas aus seinem Innern aufgeklappt hatte zu einem leicht unheimlichen
Panorama, in dem ihm alles vage vertraut und bedeutungsvoll erschien, als
stünde das Sichtbare für noch etwas anderes. Für etwas, das ihm bei näherem
Hinsehen grell bekannt ins Gesicht gelacht hätte. Wohin er sich auch wandte
hier – was ihm begegnete, schien stets in irgendeiner Beziehung zu ihm zu
stehen. Eine Fieberwelt. Es ist das Gehirn, das die Welt erst erschafft und
bevölkert – so hatte es der weiße Jäger in seinem Buch am Ende gesehen,
ausgebrannt von all seinen Kämpfen, von seiner vergeblichen Suche im
feindseligen Dschungel. Aber er war noch nicht ausgebrannt. Erschöpft
vielleicht. Aber noch nicht am Ende. Es war nur das Fieber, das ihn wieder
einmal anfiel.
    Er gehörte hierher. Vielleicht nicht zu Persepha, auch
wenn es sich eine Weile so angefühlt hatte. Aber die Große Weiße wartete noch
auf ihn –
    Er merkte, dass sein Denken sprunghaft wurde. Seine
Gedanken bissen hier an und knabberten dort ein wenig, bis sie sich schließlich
ganz in eine Sache verbissen – auch das gehörte zum Fieber. Bald würde er
wieder auf das Kapunn zurückgreifen müssen, ungeachtet aller Misslichkeiten,
die das mit sich brachte.
    Aber noch überließ er sich dem lösenden Rhythmus des
Gehens. Langes, gleichmäßiges Gehen versetzte ihn manchmal ebenso in Trance wie
ein Jäger-Shelter. Eine Weile sah er den plumpen Beinen des Mädchens zu, das
vor ihm ging. Den linken Fuß setzte sie immer ein wenig nach innen gedreht auf.
Unter ihrem Rucksack wogte ein breites Hinterteil, unpassend zur Schau gestellt
in der zu engen, dunklen Hose.
    Dann trabte von irgendwoher auf einmal Amelia durch
seine Erinnerung, wie sie damals auf der staubigen, hitzeflirrenden Straße vor
ihm hergegangen war. Er konnte noch den graublauen Rock um ihre Beine schwingen
sehen, den Hut, von dem feine Gelichternetze über ihr Haar hinabfielen wie
Schleier. Er war ihr gefolgt, den ganzen einsamen Weg vom Dorf Karbeuse bis
nach Tulsa, gute zweieinhalb Stunden lang. Hatte zugesehen, wie sich
Sonnenlicht und Wind in ihrem Haar fingen, wie ihre Hand müßig über die
verdorrten Gräser am Straßenrand streifte. Persephone, dachte er, Persephone,
die dem Frühling nachträumt –
    Auf dem Rücken, unter den wippenden, honigfarbenen
Haarsträhnen, die seine Aufmerksamkeit erst geweckt hatten, trug sie einen
Korb, und als sie schließlich auf die Japento-Straße abbog, war ihm klar, dass
sie jemanden im Gefängnis besuchen wollte. Dort lag er eine Stunde lang zwischen
den staubenden Felsen, beobachtete ein Ameisenvolk beim Umzug und wartete, bis
sie endlich wieder aus dem Tor von Tulsa heraustrat. In Begleitung eines alten
Paares trat sie dann den Rückweg an. Die beiden Alten trugen große Dikranas,
die sie zugleich als Wanderstäbe nutzten, während Amelia keinen weiteren
Gelichterschutz bei sich zu haben schien als die Kette mit Kräuterkugeln, die
sie um den Hals trug. Er überholte die drei und kam mit ihnen ins Gespräch. Die
Leute fassten immer schnell Vertrauen zu ihm, das war auch zuhause schon so
gewesen.
    Er konnte kaum wegsehen von ihrem Gesicht. Nie vorher
war ein Mädchen seinem Phantom ähnlicher gewesen als diese Amelia, nur die
Farbe der wachen, munteren Augen – ein klares Wasserblau – hatte er anders in
Erinnerung. Ja, fast hätte sie es sein können … aber selbst wenn sie es nicht
war, so entzündete ihn doch alles an ihr, und während er durstig und
staubverkrustet neben ihr herging und sich mit dem Alten gemeinsam über die
unverschämt überhöhten Palinte-Preise empörte, wusste er, dass er sie nicht
gehen lassen konnte.
    Sie sang keinen frechen Kinderhüpfvers, sondern summte Scarborough Fair vor sich hin, ohne Text, der hier auch zweifellos
anders gelautet hätte als der, den er aus seiner Heimat kannte. In seiner
Erinnerung schmolz die glühende Spätnachmittagsstunde in die Melodie dieses
Liedes hinein.
    Als die Japento-Straße schon eine Weile hinter ihnen
lag, fiel den beiden Alten ein, dass sie im Laden eines winzigen Weilers am
Wegrand

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