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Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Titel: Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loons Gerringer
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berühmte Locke der Liebsten – war doch nicht so aufregend – aber er
japste. Ein Fledermausschwarm aus Erinnerungen kreischte in seinem Verstand auf,
lauter hohe, eigentlich unhörbare Töne. Sein Herz schlug wieder viel zu
schnell. Er richtete sich auf und atmete durch.
    Warum hier? Warum hatte er sich an diesen Platz
gesetzt, um zu sterben?
    James sah sich um, versuchte in dieselbe Richtung zu
sehen, in die der Tote wahrscheinlich geblickt hatte. Vor ihnen war – nichts.
Abgrund, keine drei Meter entfernt. Weit dahinter ragte einer von den größeren
Wandresten bis knapp unter die Decke hinauf und versperrte die Sicht.
    Er ließ das Fläschchen fallen, dann die Kette, und zum
Schluss legte er die Haarsträhne dem Toten auf die Brust. Fühlte dabei, wie die
bleierne Front aus Traurigkeit wieder heranrückte, die ihn vorhin schon
niedergedrückt hatte. Er musste weitergehen. Das hier war nicht, was er suchte.
Mit aller Kraft drängte er Panik und Verwirrung aus seinen Gedanken so weit zurück,
dass er dem Sims weiter folgen konnte, in tiefe Düsternis hinein, wo es
schließlich nach links um die hintere Höhlenwand herumführte. Und nirgends ein
Weg nach unten, überall derselbe steil abfallende Abgrund. An zwei Stellen
führte sein Weg so dicht unter der Decke entlang, dass er kriechen musste. Beim
zweiten Abschnitt hörte er dabei das Rauschen von Wasser über sich und
erinnerte sich an den See, durch den sie heute gewatet waren – er und Carmino
und Pix – es schien Ewigkeiten her zu sein – er hatte die beiden fast vergessen

    Als die Decke endlich wieder zurückwich, stellte er
fest, dass er auf der anderen Seite der Höhle angekommen war. Sein Felssims war
nun stark zur Wand hin geneigt und so schmal, dass es kaum mehr als ein Wulst
war. Es war heller hier, denn eine Vielzahl von Kimberzapfen hing gleich neben
ihm von der Decke. Je dünner sie waren, desto stärker schien ihr bläuliches
Licht zu sein. Und er lief auf eine bis zur Decke hinaufragende, abenteuerlich
ausgehöhlte Gesteinsformation zu, deren weißliche Verkrustung fast wie Schnee
blendete. Sein Weg führte an einem Felsvorsprung entlang, der dicht an dieses
Wandskelett heranreichte. Von nahem wirkte es noch mehr wie der schneebedeckte
Gipfelbereich eines Berges, dessen steinige Buckel der Wind freigelegt hat.
Blaugrüne Lichtreflexe huschten über das Weiß und fingen seinen Blick. Er blieb
stehen, zum ersten Mal, seit er die Mumie dort drüben gefunden hatte. Merkte,
wie atemlos und verschwitzt er war. Dass es höchste Zeit für eine Pause war.
Seine Beine zitterten. Er setzte sich nur widerwillig – da lauerte die Angst in
ihm, dass er vielleicht nicht wieder aufstehen könnte.
    Erst mal was trinken. Dann robbte er bis zur Kante des
Felsvorsprungs und blickte hinunter, um zu sehen, wie es da unten aussah und
woher die Lichtreflexe kamen.
    Es verschlug ihm den Atem. Da war es, das Bild aus
seinem Traum! Von da unten funkelte es herauf, blaugrüne Lichttropfen, wie aus
einem wirbelnden Kaleidoskop, blendeten ihn, kreiselten vor seinen Augen. Es
dauerte, bis er erkannte, dass da unten, um den breiten Fuß dieses Wandrestes,
Wasser war, bewegtes Wasser, das die Reflexe verursachte. Eine ganze Weile
konnte er nur wie hypnotisiert hinunterstarren, es schien ihn hinabziehen zu
wollen. Unter dem sprudelnden Wasser wucherten Kristalle wie ein Korallenriff,
strahlten in klaren, harten Grün- und Blautönen, die von dem Gesprudel zu
diesem unglaublichen Funkeln aufgesplittert wurden.
    Ein Gefühl wie Schwindel erfasste ihn, als er so dalag
und hinuntersah. So hatte er sich einmal ganz zu Anfang an der Messerscheibe gefühlt:
hilflos und zugleich wie der einzige ruhende Pol – die Nabe zwischen
kreiselnden Welten –
    „Wie war das, nichts Mythisches, hä?“, ermahnte er
sich selbst. „Und ich bin schwindelfrei!“
    Die Erinnerung an die Messerscheibe war gut. Und dann
meldete sich die Stimme der Vernunft mit einer überraschenden Frage zurück.
Woher hatte Aubrey diesen Anblick eigentlich gekannt, als er sein Bild von dem
blaugrünen Gefunkel gemalt hatte? Woher hatte er damals schon wissen können,
was er doch erst hier entdeckt hatte? Und wieso war es ihm so wichtig gewesen,
dass er es gemalt und das Bild in seine Halle gehängt hatte?
    Ich kannte es schon als Kind! Ich war der weiße Jäger
und suchte nach der Schatzhöhle … ich dachte, es wären Smaragde, aber –
    Wie mit Schmetterlingsflügeln regte sich auf einmal
Zweifel in ihm.

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