Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)
endlich begriff er es.
Sie beschimpfte ihn weiter in diesem schrillen,
süßlichen Tonfall, mit bösen Fragen, die sie selbst beantwortete, und dabei
schlug sie mit der freien Faust auf ihn ein. Er konnte ihren Griff nicht
lockern, das war ein Schock. Ihre Schläge und Tritte trafen und waren
schmerzhaft, aber fast noch schlimmer war sein Entsetzen und der Ekel, den er
vor diesen harten, zum Äußersten entschlossenen Muskeln fühlte, vor diesem
Krankhaften, das da auf einmal wie eine Eiterbeule aufplatzte. Er ekelte sich
vor ihrer heißen Haut, den Krallenhänden, vor ihrem Geruch, vor den langen
Haarsträhnen, die ihm ins Gesicht flogen. Als sie sein linkes Auge traf, ließ
ihn der Schmerz taumeln. Jetzt hätte sie ihn einfach über die Klippe schubsen
können. Auch mit einem Messer hätte sie die Sache sofort entschieden, er war
benommen, das Blut sprudelte ihm immer noch aus der Nase. Er hob die Hand, die
er nicht gegen sein verletztes Auge drückte.
„Jakobe –“, krächzte er, „Das reicht jetzt!“ Blut rann
hinten in seiner Kehle hinunter, würgte ihn, was wollte er denn – etwa
verhandeln?! Vielleicht eher sich ergeben, denn er stolperte und ging zu Boden.
Da trat sie ihm in den Rücken, traf ihn so hart in die Nieren, dass er sich
aufbrüllend zusammenkrümmte, Sternenschauer rasten an seinen Augen vorbei, und
dann lag er da, zog die Knie an die Brust, die Arme um den Kopf und wusste nur,
dass er sich irgendwie gegen die nächsten Tritte schützen musste. Jetzt
verteidigte er sein Leben.
„Na, wie war es, sich von ihm ficken zu lassen?“,
kreischt sie erschreckend dicht an seinem Ohr. „War er gut, ja? Bestimmt war er
gut, das ist er ja immer.“ Damit hat sie ihr Thema gefunden. Eine Orgie von
wüstem, tobsüchtigem, geiferndem Geschrei bricht über ihn herein, vulgär,
obszön, jeder Satz begleitet von weiteren Gewalttätigkeiten. Sie will ihn
bestimmt töten, aber sie nimmt sich Zeit, es soll so wehtun wie möglich. Er
kann nicht mehr aufstehen. Er kann nicht mehr ausweichen, kaum noch die Deckung
aufrechterhalten. Tritte und Schläge treffen jede ungeschützte Stelle seines
Körpers, sie reißt ihn an den Haaren herum, kratzt und spuckt und schreit und
lacht. Er kann nichts mehr sehen vor Blut, kann kaum atmen. Seine Lippe ist
geplatzt, ein Zahn scheint abgesplittert, in seinem Rücken tobt erschreckender
Schmerz. Ungläubig begreift er, dass er unterlegen sein könnte. Dass das hier
das Ende sein könnte.
Dafür bin ich hier!, trudelt es durch seinen Kopf. Um
zu sterben! Und dafür das alles!
„Hör mir zu!“, herrscht sie ihn an, als die Welt
verschwimmen will. „Wag es ja nicht, dich jetzt zu verdrücken! Hier, siehst du
das? Mach die Augen auf, sieh hin !“
Sie reißt seinen Kopf an den Haaren zurück, schüttelt
etwas vor seinen Augen – es ist die Maske, verflucht, wie kommt sie daran?! Mit
einem letzten Aufschwung schlägt er sie ihr aus der Hand, was wohl nur gelingt,
weil sie damit nicht gerechnet hat. Er umklammert das Metall mit beiden Armen,
rollt sich darum zusammen. Und sie lacht.
„Du weißt ja nicht mal was damit anzufangen, kupadanni !“
Wieder ist sie so dicht bei ihm, dass ihr Haar ihn streift und er zurückzuckt.
Sie zerrt an der Maske, schließlich schleift sie ihn daran mit sich, auf die
Klippenkante zu. Er sieht nur noch durch schlieriges Rot, aber er krallt alle
Finger um das Metall, der Stein ist alles, was sie haben, er darf nicht
loslassen, niemals! Sie versucht ihn abzuschütteln, schüttelt ihn wie einen
Hund, der sich in einen Ball verbissen hat.
„Gib her, das ist Kumatais Vermächtnis und nicht für
dich, du dumme, heulende moosha – sie hat mich auserwählt, mich ! Ich bin ihr letztes Werkzeug! Du bist nur ein Handlanger! Nur Dreck! Ein Haufen
blutige Scheiße! Nicht mal als Henker genug!“ Wieder dieses tollwütige Lachen,
sie lacht, sie japst nach Luft, zerrt, schreit ihm weiter ins Gesicht.
„Odette hat’s gesehen, aber sie hat’s nicht kapiert,
die dumme Fotze! Hatte immer nur ihre schwachsinnige Tochter im Kopf! Aber ich!
Ich wusste sofort, was es bedeutet! Ich hab’s die ganze Zeit gewusst! Und jetzt
gib das doch endlich auf, ich werd sie ja doch bekommen! Ich muss dich doch nur
noch mal treten, dann bist du so mit Winseln beschäftigt, dass du es nicht mal
mehr merkst! Aber –“
Ganz dicht vor seinem Gesicht ihre Augen – leuchtende,
erleuchtete Augen –
„Aber ich will, dass du es mitkriegst! Ich will, dass
du es verstehst!
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