Tyranninnen - Grausame Frauen der Weltgeschichte
sie könne nicht länger in England leben, und sie dachte an eine Flucht in ein katholisches Land. Der kaiserliche Gesandte, an den sie sich deshalb wandte, arbeitete einen genauen Fluchtplan aus und holte die Zustimmung des Kaisers ein. Obwohl der Kaiser zur Eile mahnte, wurde die Flucht immer wieder verschoben und war schließlich Gesprächsthema am Hof. Der Kaiser hatte keine andere Wahl, als die Gerüchte von der beabsichtigten Flucht Marias zu dementieren und seine Beteiligung daran schlichtweg zu leugnen.
Im Falle des Todes von König Eduard hoffte Maria, sie würde gemäß der Thronfolgeregelung ihres Vaters Königin werden. Der Herzog von Northumberland hatte aber beim König, als dieser mit dem Tode rang, durchgesetzt, dass JaneGrey, die Tochter der jüngeren Schwester von Heinrich VIII., Thronerbin wurde. Bei dieser Neuregelung der Thronfolge dachte der Herzog ausschließlich an die Sicherung seiner eigenen Machtposition, denn sein Sohn war mit Jane Grey verheiratet. Im Jahre 1553 starb König Eduard.
Das Volk, dem auf Plakaten die Gründe für die Neuregelung bekannt gemacht wurden, reagierte mit Unmut darauf. Der Plan des Herzogs scheiterte. Er hatte nicht erwartet, dass das Volk eine so feindliche Haltung gegen ihn einnehmen würde. Innerhalb kurzer Zeit hatten sich über 30000 Freiwillige in Norfolk, wo Maria Zuflucht gesucht hatte, eingefunden, um Marias Anspruch auf den Thron durchzusetzen. Da das gegen Marias Truppen aufgebotene Heer sich schnell durch Fahnenflucht verkleinerte, gab der Staatsrat auf und sein Heer kapitulierte. Maria zog mit ihrer Schwester unter dem Jubel der Bevölkerung in London ein.
Jane Grey, die nur neun Tage regiert hatte, wurde mit ihren Verwandten und weiteren 23 Personen inhaftiert und in den Tower gebracht. Bis auf acht Personen wurden alle, auch die abgesetzte Königin, enthauptet.
Noch bevor das Parlament gesetzliche Regelungen erlassen hatte, wurden alle Voraussetzungen für die Rückkehr zum Katholizismus geschaffen. Maria unterlief bei diesen Maßnahmen ein großer Fehler. Sie glaubte nämlich, dass ihr als einer überzeugten Anhängerin des Papstes der Beifall des Volkes sicher wäre. Der dem Volk verordnete Glaubenswechsel und der plötzliche Bruch mit den überlieferten religiösen Gebräuchen stieß sicherlich auf die Ablehnung bei den einfachen Menschen. Ein größeres Problem aber war die Anerkennung der Oberherrschaft des Papstes und die Rückgabe der Kirchengüter. Denn viele Engländer hielten es als unvereinbar miteinem souveränen Staatswesen, dass eine fremde Macht Entscheidungsrechte in ihrem Land besaß. Und der Adel, dem ein Teil der Kirchengüter zugefallen war, wollte sich von seinem Besitz nicht mehr trennen. Wenn Maria bei ihrer geplanten Rekatholisierung nicht mit Zurückhaltung vorging, würde ihr in kurzer Zeit die Mehrheit der Bevölkerungen feindlich gegenüberstehen.
Den Meinungsumschwung bei der Bevölkerung spürte Maria schon bei ihrer Krönung, die unter starken Sicherheitsvorkehrungen vollzogen wurde, weil man Attentate und Unruhen befürchtete. Auf ihre Getreuen und die gläubigen Katholiken konnte sie sich nicht mehr unbedingt verlassen, weil man ihr vorwarf, im Staatsrat säßen zu viele überzeugte Anhänger der Kirchenreform.
Mehr noch als die geplanten Gesetze zur Aufhebung der Kirchenreform beschäftigte die Verheiratung Marias die Hofkreise und Diplomaten. Man bedrängte sie von allen Seiten, endlich eine Entscheidung zu treffen. Von den Kandidaten, die man ihr vorschlug, blieben schließlich nur der Engländer Courtenay, ein Abkömmling des Hauses York, und Philipp, der Sohn von Kaiser Karl, übrig. Courtenay, der über 15 Jahre im Tower inhaftiert gewesen war, weil er als kritischer und rebellischer Geist aufgefallen war, galt als ungebildet, und man sagte ihm nach, er verkehre in London mit Frauen von schlechtem Ruf. Maria entschied sich für den erst 30-jährigen Don Philipp, der bereits zweimal verwitwet war. Sie hatte die Hilfe des spanischen Königs, als ihre Mutter, eine Spanierin, und sie selbst von ihrem Vater gedemütigt worden waren, noch in guter Erinnerung. Auch war Spanien für sie der Vorposten des Christentums, wo der Ansturm der heidnischen Araber und später der Türken abgewehrt worden war. Sieglaubte, dass die Verbindung Englands mit der spanisch-habs-burgischen Monarchie ihr nicht nur Mitspracherechte auf dem Kontinent eröffnen, sondern auch ihre geplante Rekatholisierung stark fördern
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