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Über den Fluß und in die Wälder

Über den Fluß und in die Wälder

Titel: Über den Fluß und in die Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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zu mir ins Bett kommen, anstatt achtzehn Steinfliesen von mir entfernt zu sein. Vielleicht sogar mehr. Ich bin jetzt nicht so schnell mehr wie ich war, wenn ich’s je war.»
    «Porträt» sagte er zu dem Mädchen und zu dem Porträt und beides zu dem Mädchen, aber da war kein Mädchen, und das Porträt war so, wie es gemalt war.
    «Porträt, halt dein verfluchtes Kinn hoch, damit du mein Herz leichter brechen kannst.»
    Es war wirklich ein wunderbares Geschenk, dachte der Colonel.
    «Kannst du manövrieren?» fragte er das Porträt. «Schnell und gut?» Das Porträt sagte nichts, und der Colonel antwortete: Du weißt scheißgenau, daß sie das kann. Sie könnte dich am besten Tag deines Lebens ausmanövrieren, und sie würde bleiben und kämpfen, wo du dir… schweigen wir davon. «Porträt», sagte er, «Sohn oder Tochter, oder meine einzige wirkliche Liebe, oder was immer es ist; du weißt, was es ist, Porträt.»
    Das Porträt antwortete so wenig wie vorher. Aber der Colonel, der jetzt, früh am Morgen, der einzigen Zeit, in der er sich wirklich auskannte, und mit Valpolicella in sich, wieder ein General war, wußte so bestimmt, als ob er das Ergebnis seines dritten Wassermanns gesehen hatte, daß das Porträt keine… hatte, und er schämte sich, weil er so häßlich mit dem Porträt gesprochen hatte.
    «Heute werde ich der scheißbeste Junge sein, den du je gesehen hast. Und du kannst das deinem Chef sagen.»
    Das Porträt schwieg, wie es seine Art war.
    Mit einem Kavalleristen würde sie vielleicht sprechen, dachte der General, denn jetzt hatte er zwei Sterne, und er spürte sie auf den Schultern, und vorn auf der Plakette auf seinem Jeep konnte man sie weiß auf rotem Feld sehen. Er benutzte niemals Stabswagen noch leicht gepanzerte Fahrzeuge komplett mit Sandsäcken.
    «Geh zum Teufel, Porträt», sagte er. «Oder geh und hol dir dein T. S.-Formular von unser aller Universalkaplan mit kombinierten Religionen. Da hast du was zu knabbern.»
    Zum Teufel mit dir, sagte das Porträt, ohne zu sprechen. Du zehntklassiger Soldat.
    «Ja», sagte der Colonel, denn jetzt war er wieder ein Colonel und hatte auf seinen früheren Rang ganz Verzicht geleistet.
    «Porträt, ich liebe dich sehr. Aber sei nicht häßlich gegen mich. Ich liebe dich sehr, weil du so schön bist. Aber das Mädchen liebe ich mehr, millionenmal mehr, verstanden?»
    Keinerlei Anzeichen, daß es das gehört hatte, und er wurde der Sache überdrüssig.
    «Du bist in einer befestigten Stellung, Porträt», sagte er. «Mit oder ohne Rahmen. Und ich werde manövrieren.»
    Das Porträt war so still, wie es die ganze Zeit über gewesen war, seit der Portier es hereingebracht hatte und es mit Hilfe und Beistand des Kellners dem Colonel und dem Mädchen gezeigt hatte.
    Der Colonel blickte es an und sah jetzt, als es hell oder beinahe hell war, daß es sich nicht verteidigen konnte.
    Er sah auch, daß es das Porträt seiner einzigen, wirklichen Liebe war, und so sagte er: «Verzeih, daß ich all die Dummheiten gesagt habe. Tatsächlich will ich niemals brutal sein. Vielleicht können wir beide, wenn wir Glück haben, ein bißchen schlafen, und dann wird vielleicht deine Herrin anrufen?»
    Vielleicht wird sie sogar vorbeikommen, dachte er.

18
    Der Hausdiener steckte die Gazzettina unter der Tür durch, und der Colonel griff sie geräuschlos, fast zur gleichen Zeit, als sie durch den Schlitz kam.
    Er nahm sie dem Hausdiener beinahe aus der Hand. Er mochte den Hausdiener nicht leiden, seit er ihn eines Tages dabei ertappt hatte, wie er seine Reisetasche durchwühlte, als er, der Colonel, noch einmal sein Zimmer betreten hatte, nachdem er es aller Voraussicht nach auf einige Zeit verlassen hatte. Er mußte noch mal in sein Zimmer zurück, um seine Medizinflasche, die er vergessen hatte, zu holen, und der Hausdiener war beinahe mit seiner Reisetasche durch.
    «Ich glaube nicht, daß man in diesem Hotel ‹Hände hoch› sagt», hatte der Colonel gesagt. «Aber zur Ehre gereichen Sie Ihrer Stadt nicht.»
    Der Mann in der gestreiften Weste mit dem Faschistengesicht schwieg; er schwieg sich aus, und der Colonel sagte: «Los doch, mein Junge, besieh dir nur auch noch den Rest. Ich habe keine militärischen Geheimnisse zwischen meinen Toilettensachen.»
    Seitdem bestand nur spärliche Freundschaft zwischen ihnen, und dem Colonel machte der Versuch Spaß, dem Mann mit der gestreiften Weste die Morgenzeitung geräuschlos aus der Hand zu nehmen, sobald er sah oder

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