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Über den Fluß und in die Wälder

Über den Fluß und in die Wälder

Titel: Über den Fluß und in die Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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Straße mit ihrem wunderbaren, langbeinigen Schritt, und der Wind tut, was ihm paßt, mit ihrem Haar, und sie hat richtige Brüste unter ihrem Sweater, und dann seh ich die Nächte in Texas vor mir mit den aufgewickelten Locken – von metallischen Instrumenten eingezwängt und beherrscht.
    «Wickel du mir keine Wickellocken, meine Geliebte», sagte er zu dem Porträt, «und ich will versuchen, es in runden, schweren, harten Silberdollar oder mit dem andern zu bezahlen.»
    Ich darf nicht gemein werden, dachte er.
    Dann sagte er zu dem Porträt, das er jetzt in seinen Gedanken nicht groß schrieb: «Du bist so verdammt schön, daß es stinkt. Außerdem bist du ein Gefängnislockvogel. Renata ist zwei Jahre älter als du. Du bist noch nicht siebzehn.»
    Und warum kann ich sie nicht haben und sie lieben und sie verwöhnen und niemals häßlich zu ihr sein, noch grob, und die fünf Söhne haben, die an die fünf Enden der Welt gehen, wo immer die sein mögen. Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich kriegt man die Karten, die man aufnimmt. Du würdest wohl nicht noch einmal geben, oder doch, Geber?
    Nein. Es wird nur einmal gegeben, und dann nimmt man die Karten auf und spielt sie. Ich kann sie spielen, wenn ich auch nur das Geringste bekomme, erzählte er dem Porträt, das unbeeindruckt blieb.
    «Porträt», sagte er. «Sieh mal lieber nach der anderen Seite, damit du dich nicht unjungmädchenhaft benimmst. Ich werde jetzt duschen und mich rasieren, etwas, was du niemals zu tun brauchst, und meine Uniform anziehen und ausgehen und durch die Stadt hier schlendern, obschon es noch zu früh ist.»
    Damit stieg er aus dem Bett und nahm sein schlimmes Bein dabei in acht, das ihm immer weh tat. Er zog mit seiner schlimmen Hand an der Kette der Leselampe. Es war ausreichend hell, und er hatte beinahe eine Stunde lang Elektrizität verschwendet.
    Er bereute dies, wie er all seine Fehler bereute. Er ging an dem Porträt vorbei, warf ihm nur einen flüchtigen Blick zu und musterte sich selbst im Spiegel. Er hatte beide Teile seines Pyjamas fallen lassen, und er besah sich kritisch und genau.
    «Du ramponierter alter Hundsfott», sagte er zu dem Spiegel. Porträt war ein Ding der Vergangenheit. Spiegel war Wirklichkeit und Gegenwart.
    Der Magen war flach, sagte er, ohne es auszusprechen. Die Brust ist in Ordnung, bis auf die Stelle mit dem schadhaften Muskel. Wir sind nun mal gebaut, wie wir eben gebaut sind, auf Gedeih oder Verderb, oder irgendwas oder irgendwas Furchtbares.
    Du bist ein halbes Jahrhundert alt, du Scheißkerl. Jetzt geh rein und dusche und schrubb dich gut ab, und nachher zieh deine Uniform an. Heute ist wieder ein Tag.

20
    Der Colonel blieb vor dem Empfangspult in der Vorhalle stehen, aber der Concierge war noch nicht da. Nur der Nachtportier war da.
    «Können Sie etwas für mich ins Safe legen?»
    «Nein, my colonel. Niemand darf das Safe öffnen, bis der zweite Direktor oder der Concierge da ist. Aber ich kann alles, was Sie wünschen, für Sie aufheben.»
    «Danke. Es ist nicht der Mühe wert», und er steckte den Gritti- Brief Umschlag, in dem die Steine waren, den an sich selbst adressierten Briefumschlag, in die linke Innentasche seiner Jacke und knöpfte sie zu.
    «Wirkliche Verbrechen gibt es hier jetzt gar nicht», sagte der Nachtportier. Die Nacht war lang gewesen, und er war froh, daß er sich mit jemandem unterhalten konnte. «Hat es eigentlich nie hier gegeben, my colonel. Es gibt nur Meinungsverschiedenheiten und Politik.»
    «Was für ‘ne Politik treiben Sie denn?» fragte der Colonel, der sich auch einsam fühlte.
    «Ungefähr die, die Sie erwarten würden.»
    «Aha. Und wie läuft Ihre Sache?»
    «Ich glaube, es geht ganz gut. Vielleicht nicht so gut wie vergangenes Jahr. Aber doch ganz gut. Wir wurden geschlagen und müssen jetzt eine Weile abwarten.»
    «Arbeiten Sie mit?»
    «Nicht viel. Es ist mehr die Politik meines Herzens als meines Kopfes. Ich glaube auch mit dem Kopf daran, aber ich habe sehr wenig politische Schulung gehabt.»
    «Wenn Sie die erst kriegen, ist es aus mit dem Herzen.»
    «Vielleicht auch nicht. Wird in der Armee viel Politik getrieben?»
    «Reichlich», sagte der Colonel. «Aber nicht so, wie Sie glauben.»
    «Nun, wir diskutieren es dann wohl lieber nicht. Ich wollte nicht zudringlich sein.»
    «Ich hatte die Frage gestellt, vielmehr die ursprüngliche Frage. Es war nur, um zu reden. Es war keine Ausfragerei.»
    «Das habe ich auch nicht geglaubt. Sie haben nicht das

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