Ueber den Himmel hinaus - Roman
ist.«
»Ist es nicht.« Er lachte. »Ich bin bloß faul. Gehen wir.«
Sie ließ ihn zehn Minuten lang ihre gemieteten Möbel hin und her schieben und bot ihm dann eine Tasse Tee an.
»Ehrlich gesagt, Sam, ich mache mir Sorgen wegen dir und Lena. Ich spüre doch, dass zwischen euch etwas nicht stimmt, aber sie will mir nicht sagen, woran es liegt.«
»Ach nein?« Er hob die Augenbrauen. »Hat sie dir nichts von ihrem Haus erzählt?«
»Was für ein Haus?«
Sam setzte sich auf die Rücklehne des Sofas und schüttelte lachend den Kopf. »Dann bin ich also nicht der Einzige, vor dem sie Geheimnisse hat.«
»Was soll das heißen?«
»Lena hat vor etwas mehr als einem Jahr ein altes Haus von meinem Großvater geerbt.«
»Was?« Lena besaß ein Haus?
»Und obwohl es meinem Großvater gehört hat und ich ihr Ehemann bin, hat sie es mir verschwiegen, bis ich vor ein paar Monaten zufällig von selbst dahintergekommen bin.« Er konnte seine Verbitterung nicht verhehlen.
»Aber … warum hat sie es dir verschwiegen?« Und mir auch?
»Sie hat Sofi davon erzählt«, bemerkte Sam.
Natalja stellte überrascht fest, dass sie gekränkt war. Lena hatte Sofi eingeweiht, nicht aber ihre eigene Schwester?
»Warum hat sie es vor uns beiden geheim gehalten?«
»Sie hat befürchtet, ich würde das Haus verkaufen und das ganze Geld ausgeben. Als wäre ich kein Erwachsener, sondern ein unreifer Teenager.«
»Was hat sie denn damit vor? Will sie es verkaufen? Darin leben?«
»Ich weiß es nicht, und es ist mir auch egal. Sie hat mir klargemacht, dass ich in dieser Angelegenheit nichts mitzureden habe, und da meine Meinung nicht erwünscht ist, will ich auch nichts damit zu tun haben.«
Natalja wusste, sie hätte Lena verteidigen müssen, aber sie war zu verärgert und hielt deshalb den Mund. »Aber warum hat sie mir nicht davon erzählt?«
»Weil wir sie damals, nachdem euer Vater hier war, gewissermaßen hintergangen haben …«, murmelte er, und seine Worte weckten bei ihr aus unerfindlichen Gründen Gefühle, die niemals geweckt werden hätten dürfen, »… indem wir miteinander telefoniert haben. Sie hat wohl befürchtet, du könntest es mir verraten.«
Natalja biss sich auf die Lippe, den Blick abgewandt.
»Hättest du es mir gesagt?«, fragte er. »Oder hältst du mich auch für verantwortungslos?«
Sie sah ihm in die Augen. Er wirkte verloren, wie ein kleiner Junge. Wenn Lena sie tatsächlich gebeten hätte, ein Geheimnis zu bewahren, dann hätte sie sich daran gehalten, kein Zweifel. Aber Sam wollte hören, dass er vertrauenswürdig war, also nickte sie. »Natürlich. Ich hätte dich gleich angerufen.« Sobald es heraus war, wusste sie, dass sie es aus den falschen Motiven gesagt hatte: nicht um seiner Selbstbestätigung willen, sondern um ihn auf ihre Seite zu ziehen.
KAPITEL 41
»Sie ist da, sie ist da!« Lena wurde mit viel Gekicher und Gequietsche an der Haustür empfangen. Dann verschwanden die Kinder im Schlafzimmer, und Natalja befahl: »Schließ die Augen und komm mit.«
Lena ließ sich lächelnd ins Wohnzimmer führen, obwohl sie lieber erst ihre Tasche abgestellt und bei einer Tasse Tee kurz verschnauft hätte.
Die Sommerferien zogen sich endlos hin. Jeden Nachmittag fand sie, wenn sie abgekämpft von der Arbeit nach Hause kam, zwei völlig überdrehte Neunjährige mit glühenden Wangen vor, die kaum zu bändigen waren, nachdem sie den Tag in Sams, Nataljas oder Wendys Obhut verbracht hatten. Lena konnte es kaum erwarten, dass die Schule wieder anfing und das Leben zu seinem gewohnten Rhythmus zurückkehrte. Vielleicht würde dann auch mit Sam wieder alles ins Lot kommen.
Natalja hatte sich zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt bei ihnen einquartiert. Lena hätte dringend mit Sam über das Haus in Little Ayton sprechen sollen, doch in der Gegenwart ihrer Schwester hatten sie getan, als sei alles wunderbar, und bis Natalja endlich auszog, war die Situation schon hoffnungslos verfahren. Sam fühlte sich verraten und weigerte sich immer noch hartnäckig, über das Haus zu sprechen, sodass Lena irgendwann nichts anderes übrig blieb, als die Angelegenheit vorerst auf sich beruhen zu lassen.
Sie setzte sich. Der Couchtisch war beiseitegeschoben. Natalja drückte auf einen Knopf am CD-Player. »Herzlich willkommen zur Briggsby Fashion Week«, verkündete Natalja. »Und hier kommt Matthew, unser erstes Model.«
Die Schlafzimmertür ging einen Spalt auf, doch es war niemand zu sehen. Natalja lugte um
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