Ueber den Himmel hinaus - Roman
Seiten. Ohne Verstärker klangen die Töne dünn und leise, kaum hörbar.
Lena verfolgte wie hypnotisiert die Bewegungen seiner Finger.
»Gefällt es dir?«
»Äh, ja.«
Er schaltete den Verstärker ein und wiederholte die Melodie. Diesmal sang er auch dazu. Es war eine ruhige Nummer, eine Art Liebeslied, aber beschwingter, keine wuchtige Ballade. Lena grinste bis über beide Ohren, als er zum Refrain gelangte: My Russian Girl. Es ging um sie. In ihrem ganzen Leben hatte sie noch nie etwas so Schönes gehört, zumindest kam es ihr so vor. Als er geendet hatte, warf sie ihm die Arme um den Hals und küsste ihn.
»Danke. Es ist wunderschön.«
»So wie du.« Er machte sich von ihr los, um die Gitarre abzustellen, dann umarmte er sie. Sein Kinn war warm und stachelig. »Du bist das Beste, das mir je passiert ist«, flüsterte er ihr ins Ohr. Dann küsste er zärtlich ihr Ohrläppchen, ihre Wange, ihr Kinn. »Wir sind ganz allein hier, Lena … Was hältst du davon, wenn wir …?«
Sie war jetzt zwei Monate mit ihm zusammen und hatte sich bislang geweigert, mit ihm zu schlafen. Allmählich wurde er ungeduldig. Nicht, dass er ihr das zeigte. Er war ein vollendeter Gentleman, in jeder Hinsicht, und er hatte ihr versichert, er würde warten, bis sie so weit war. Doch wann würde das sein? Sie war keine Jungfrau mehr, dafür hatte sie an ihrem zwanzigsten Geburtstag gesorgt, um es hinter sich zu haben. Danach hatte sie sich stets gut überlegt, mit wem sie ihren Körper teilen wollte, und nicht ohne Grund. Zwei ihrer Freunde hatten Schluss gemacht, weil sie sich geweigert hatte, mit ihnen ins Bett zu gehen,
was in ihren Augen bedeutete, dass sie sie nicht verdient hatten. Hatte sie Angst, Sam könnte sie ebenfalls verlassen? Wollte sie seine Absichten testen?
Sie vertraute ihm, und als er nun ihren Hals küsste, erwachte die Lust in ihr und ließ ihren Widerstand dahinschmelzen.
»Gib dir einen Ruck, Lena.« Seine grauen Augen ruhten auf ihr. »Wann sind wir denn sonst je allein?«
Sie schob sich die Haare aus dem Gesicht. »Also gut.«
»Im Ernst?«, fragte er und lächelte, und ihr Puls beschleunigte sich.
»Ja, im Ernst.«
Er liebkoste ihr Gesicht, ließ die Fingerspitzen über ihre Wangenknochen und ihr Kinn gleiten. »Ich werde dich verwöhnen«, versprach er und küsste sie.
Sie schmiegte sich an ihn, und die Erde schien sich langsamer zu drehen, als er schließlich begann, sie auszuziehen. Seine Lippen wanderten über ihren weichen Körper. Seine Haut auf ihrer Haut, so heiß und glatt … Sie schloss die Augen und gab sich den Empfindungen hin, die seine Hände, seine Finger in ihr auslösten. Eine nie gekannte Erregung ergriff von ihr Besitz, und als sie sich schließlich aufbäumte und zum Höhepunkt kam, schrie sie unwillkürlich auf vor Lust. Gleich darauf war es ihr peinlich, dass sie sich so hatte gehen lassen.
»Tut mir leid«, sagte sie atemlos.
»Das muss es nicht. Ist das dein erstes Mal?«
»Nein, aber so war es noch nie.«
Er lachte leise, und dann war er über ihr, seine Locken streiften ihr Gesicht, und er drang behutsam in sie ein. Sie klammerte sich an ihn und wünschte sich, der Augenblick möge niemals vergehen. Das alte Sofa, das Tuch über der
Lampe, der Geruch nach abgestandener Zigarettenasche und indischen Gewürzen - all das kam ihr unglaublich romantisch vor. Sie erschrak kurz, als ihr einfiel, dass sie kein Kondom benutzten, doch sie schob den Gedanken beiseite. Sie wollte den Moment nicht verderben.
Danach lagen sie eng umschlungen auf dem Sofa, unter einer alten Decke, die sie aus der großen Trommel geholt hatten. Lena war gerade im Begriff einzudösen, als Sam sagte: »Lena, ich glaube, ich liebe dich.«
Sie richtete sich auf und sah auf ihn hinunter. »Ich weiß , dass ich dich liebe.«
Er zog sie lächelnd an sich, um sie zu küssen. Lena hatte das Gefühl, in einer riesigen Blase puren Glückes zu schweben. Er liebte sie. Bisher hatte sie die Liebe nur aus Büchern und Filmen gekannt. Stets hatte sie sich ihr entzogen. Und da war sie plötzlich, in Sams Armen.
»Wann stellst du mir deine Schwester und deine Cousine vor?«, wollte er wissen.
Sie zögerte. Er liebte sie; Natalja konnte ihn ihr nicht mehr wegnehmen. Doch das war gar nicht ihre größte Sorge. Hier, jetzt, war sie wunderschön, das schönste Mädchen der Welt. Doch wenn er erst Natalja kennengelernt hatte, wusste er, dass sie das nicht war.
»Lena? Du sagst ja gar nichts. Willst du mir nicht
Weitere Kostenlose Bücher