Ueber den Himmel hinaus - Roman
ständigen Besetzung zählte. Sie schielte flüchtig zu Rupert und Zoe, dann sah sie wieder zum Fernseher.
Einen Augenblick später war auf dem Bildschirm zu sehen, wie sie in ihrem schlichten blauen Kleid und dem zusammengebundenen Haar an der Haustür der Familie Bradley klingelte. Sie wirkte schlank und majestätisch, selbst in diesem schlichten Outfit. Die versammelte Mannschaft applaudierte. Natalja lächelte. Jemand klopfte ihr auf die Schulter.
»Ich komme wegen der Stelle als Putzfrau«, sagte Tatjana auf dem Bildschirm, und Craig Bradley fielen beinahe die Augen aus dem Kopf. Schnitt, nächste Szene.
Natalja verfolgte ihren ersten Fernsehauftritt mit gemischten Gefühlen. Sie sah gut aus und klang überzeugend, aber ihre letzte Szene war bereits im Kasten. Tatjana hatte ihre letzten Worte gesprochen und war von Meg Bradley vor die Tür gesetzt worden, nachdem diese von der Affäre erfahren hatte.
Sofi hatte ihr gesagt, sie solle sich keine Sorgen machen, es würde neue Angebote geben. Doch Natalja graute davor, wieder von vorne anfangen und für Werbespots vorsprechen zu müssen, in denen sie nichts sagen durfte. Sie war gefangen in ihrer winzigen Wohnung mit ihrer schwangeren Schwester und ihrer musterhaften Cousine … Sei nicht so gemein. Sie musste betrunken sein; vom Alkohol wurde sie stets mürrisch und verbittert. Sie kippte ihren Champagner in die nächstbeste Topfpflanze.
Applaus. Der Abspann flimmerte über den Bildschirm. Natalja stellte enttäuscht fest, dass sie ihren Namen verpasst hatte. Aber sie wurde ohnehin bloß als Natalie Chernoff aufgelistet, nicht mit ihrem richtigen Namen.
»Gut gemacht.«
Rupert. Natalja schenkte ihm ein wenig überzeugendes Lächeln. »Danke. Wo ist Zoe?«
»Nach Hause gefahren. Sie muss morgen früh raus. Sie arbeitet beim Fernsehen.«
»Ich wusste doch, dass ich sie kenne. Die Frühnachrichten.«
»Ganz recht.« Er befühlte den Ärmel ihres Kleides. »Ich wusste, dass Sie darin toll aussehen würden.«
»Das mit den Schuhen tut mir leid.«
»Sie müssen noch viel lernen. Sie sollten sich einen Stylisten für Partys und öffentliche Auftritte zulegen. Ich kann Ihnen ein paar empfehlen.« Er ließ die Hand sinken und starrte sie nachdenklich an.
Natalja fühlte sich unwohl in ihrer Haut, überspielte dies aber durch ein souveränes Lächeln. »Was ist, Rupert?«
»Ich glaube, wir brauchen Sie noch bei Lonely Shores .«
Ihr Herz tat einen Sprung. »Wirklich?«
»Lassen Sie uns das in Ruhe besprechen.« Er nahm ihre Hand. »Kommen Sie mit, dort hinten sind wir ungestört.«
Er führte sie durch den Korridor, ließ ihre Hand los, um einen Schlüsselbund aus der Tasche zu ziehen. Sie betraten einen Abstellraum, der leer war bis auf ein Metallregal, auf dem zwei Schachteln Kopierpapier standen. Das Neonlicht war unangenehm hell. Er lehnte sich an das Regal. Natalja stand mit verschränkten Armen und heftig pochendem Herzen vor ihm, verunsichert, hoffnungsvoll.
Er breitete die Arme aus. »Stellen Sie sich folgendes Szenario
vor: Meg Bradley glaubt, Tatjana sei nach Russland zurückgegangen, doch dann kehrt ihr Sohn Trevor, der in London studiert hat, nach Hause zurück - in Begleitung der Frau, die er heiraten will. Tatjana.«
»Hat Meg denn einen Sohn namens Trevor?«
»O ja. Sämtliche Charaktere haben Familienmitglieder in anderen Städten, für alle Fälle. Wir müssten erst jemanden für die Rolle casten. Sie würden dann in ein paar Monaten wieder auftauchen, aber die Pause zwischen Tatjanas Abschied und ihrer Rückkehr würde die Angelegenheit sehr realistisch wirken lassen. Sie geht weg, lernt Trevor kennen, die beiden verlieben sich. Das würde ordentlich für Aufruhr sorgen. Wir wissen bereits, dass sich durch Craig Bradleys Affäre die Einschaltquoten erhöhen werden, und auf diese Weise könnten wir die Sache noch ein paar Monate verlängern. Wie wär’s mit einem neuen Vertrag? Dieselben Bedingungen, für mindestens ein halbes Jahr?«
Natalja öffnete den Mund, dann dachte sie an Sofi, die bestimmt verärgert sein würde, wenn sie zusagte, ohne erst mit ihr Rücksprache zu halten. Sofi könnte vielleicht mehr Geld oder andere Vorteile für sie aushandeln. »Das müssten Sie mit Sofi besprechen.«
Rupert runzelte die Stirn. »Nein, das werde ich nicht tun. Ich mache Ihnen jetzt und hier ein Angebot. Sind Sie interessiert oder nicht?«
»Natürlich bin ich …«
»Dann vergessen Sie Ihre Cousine. Es ist ohnehin sehr unprofessionell,
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