Über den Missouri
zufrieden, daß der alte Hawandschita trotz der Hungersnot das Abschlachten der Mustangs verhindert hatte. Ohne die Tiere wäre der Marsch durch den Winter schwer möglich gewesen. Die Hundemeute fehlte sehr. Sonst hatten auch die Hunde immer große Packen tragen müssen.
Ein jeder der Krieger ritt sein bestes Pferd. Die Frauen saßen auf den Lasttieren und lenkten diese. An der Spitze des Zuges ritt der Häuptling. Hawandschita ging zu Fuß, den Speer in der Hand. Tschetansapa wurde in Felldecken gewickelt mitgetragen.
Als die ersten Schritte auf einem weiten Weg schon gemacht waren, tauchte ein Reiter auf, der das verabredete Zeichen des Kojotengeheuls gab: Tobias – Chef de Loup.
Die Grenze war frei. Im Sturm und Schnee der ersten Maitage verließ die Bärenbande ungehindert die Reservation.
An einem Morgen, an dem sich die Söhne der Großen Bärin auf ihrem Eilmarsch vorankämpften, saßen in dem Geschäftszimmer der Agentur zwei ahnungslose junge Angestellte. Sie saßen hinter der Barriere, die den Raum teilte, vor langen Listen. Sie schrieben und blickten nicht auf. Wahrscheinlich hatten sie nicht einmal nach dem Schiebefenster gesehen und wußten noch nicht, daß es weiterschneite.
Neben den beiden eifrigen jungen Leuten, deren Gesichtshaut hell und deren Hände an den Federhalter, aber nicht an Flinte und Messer gewöhnt waren, stand Red Fox, die Pfeife im Mundwinkel. Er fühlte in den Verhältnissen seiner jetzigen Umgebung um so mehr, daß er groß, stark, in Kämpfen erfahren und von keinerlei Zwirnsfäden der Konvention oder Moral gehemmt war.
Obgleich Typen wie er in dem sich zivilisierenden Westen bald nur noch als verfemte Banditen gebraucht werden konnten, wußte er sich im Augenblick noch als der Überlegene. Er zählte zu den besten Schützen und verstand auch einige Indianersprachen. Seine Haut war lederbraun, seine Zähne, die über die Unterlippe hervortraten, gelblich. Wer im Westen und unter Grenzern Bescheid wußte, erkannte ihn an seinem rötlichen Haar und an den angewachsenen Ohrläppchen.
Ein Häuptling mit Adlerfederkrone und einige seiner Männer standen an diesem Tag wieder vor der Barriere. Der Häuptling sprach, und Red Fox dolmetschte herablassend für die beiden Beamten: »Immer wieder dieselbe Leier! Der Speck stinkt, die Kinder hungern, das Mehl war verdorben, die Rinder sind mager, es gibt kein Wasser …«
Die beiden Beamten zuckten mit den Achseln, schüttelten den Kopf und rechneten noch einmal nach. Der eine von ihnen antwortete gekränkt, als ob die Klagen sich gegen ihn persönlich richteten: »Es ist alles geliefert, dem Vertrag entsprechend. Aber dieses Volk will nicht sparen, nicht lernen und nicht arbeiten.«
Um die Lippen von Red Fox erschien das zynische Lächeln. »Die Adlerfedergeschmückten werden es nie begreifen!«
Langsam machten die Dakota kehrt.
Sie hatten sich noch nicht weit von der Barriere entfernt, als die Tür aufgerissen wurde. Ein glatzköpfiger, großer, dicker, dennoch behender Mann stürzte herein. Johnny!
Die Indianer traten beiseite, um die kommende Szene mit anzuhören.
Red Fox griente. »Du Fettfleck! Was suchst du hier?!« Red Fox – Fred Clarke hatte eine volltönende Stimme.
»Dich! Keinen anderen als dich!« rief Johnny, nicht weniger laut.
»Hab keine Schulden bei dir!«
»Du stehst in der Kreide, du Gauner! Das heute nur nebenbei. Die Hauptsache …«
»Spuck aus!«
»Die Bärenbande ist weg.«
»… was …?!«
Johnny schien sich an dem Mienenspiel des Red Fox zu weiden. »Die Bärenbande …«
Red Fox verkrampfte sich in Wut, aber er wußte auch, wie er diesen Krampf überwinden konnte, indem er Jähzorn spielte. Er ergriff einen Stuhl und schlug ihn in einem einzigen Schwung in Stücke. Die beiden jungen Beamten sprangen erschreckt auf. Red Fox begann zu brüllen: »Johnny! Wo hat die Lagerpolizei geschlafen?!«
Johnny zog die Achseln bis zu den Ohren.
»Mann, wenn du denen wieder zu saufen gegeben hast, holt dich der Teufel!«
Johnny wehrte erschreckt ab, mit beiden Händen, als ob die Beschuldigung wie ein Stein auf ihn zufliege. Er wollte den Raum rasch wieder verlassen.
»Johnny! Da bleibst du!«
Der Wirt drehte sich noch einmal um.
»Johnny! Wer hat das angerichtet? Ohne weiteres brechen die doch nicht ihre Zelte ab, ohne Waffen, im Schnee – wer steckt dahinter?«
Johnny wand sich.
»Johnny, du Fettwanst – warum kommst nur du mit der Nachricht und kein andrer?«
»Traut sich sonst keiner
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