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Ueber Deutschland

Titel: Ueber Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germaine de Staël
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Italiener, deren politische Lage seit vielen Jahrhunderten auf Schwächung des Charakters hingewirkt hat. Durch ihre Anmuth und ihre Einbildungskraft bewahren die Italiener ihr ganzes Leben hindurch die verlängerten Rechte der Kindheit; aber die rohen Gesichtsbildungen und Manieren der Germanen scheinen eine feste Seele anzukündigen, und man fühlt sich unangenehm überrascht, wenn man sie nicht antrifft. Dazu kommt noch, daß die Charakterschwäche, wenn sie eingestanden wird, Verzeihung findet, und in dieser Hinsicht ist den Italienern eine merkwürdige Offenheit eigen, während die Deutschen, indem sie eine so übelstehende Schwäche nicht einzugestehen wagen, kräftige Schmeichler und rüstige Untergebene sind. Hart accentuiren sie ihre Worte, um die Geschmeidigkeit ihrer Gesinnungen zu verbergen; philosophischer Gründe bedienen sie sich, um zu erklären, was am wenigsten philosophisch ist; ich meine den Respect für die Macht, und die Rührung der Furcht, welche jenen Respect in Bewunderung verwandelt.
    Solchen Contrasten muß man die deutsche unangenehme Außenseite zuschreiben, die man in den Lustspielen aller Länder nachzumachen Vergnügen findet. Es ist erlaubt, plump und ungelenk zu seyn, wenn man ernst und fest bleibt: aber wenn man diese natürliche Starrheit mit dem falschen Lächeln der Knechtlichkeit bekleidet, dann setzt man sich einer verdienten Verlachung aus; das Einzige, was übrig bleibt. Es kommt dazu, daß in dem Charakter der Deutschen eine gewisse Unbeholfenheit ist, die selbst Solchen schadet, welche geneigt seyn möchten, ihrem Interesse alles aufzuopfern; und man wird um so unwilliger, weil sie die Ehre der Tugend einbüßen, ohne zu den Vortheilen der Gewandtheit zu gelangen.
    Wie sehr man aber auch anerkennen mag, daß die deutsche Philosophie unzureichend ist, eine Nation zu bilden: so muß man doch bekennen, daß die, welche zur neuen Schule gehören, weit näher daran sind, als die Uebrigen, Stärke des Charakters zu erwerben. Sie träumen sie, sie verlangen darnach, sie empfangen sie; aber sie fehlt ihnen nicht selten. In Deutschland giebt es sehr wenige, welche über Politik zu schreiben verständen. Die meisten von denen, welche sich damit befassen, sind allzu systematisch und sehr oft unverständlich. Wenn es auf übersinnliche Metaphysik ankommt, wenn man sich in die Dunkelheiten der Natur zu stürzen versucht, dann sind Ansichten, wie unbestimmt sie auch seyn mögen, nicht zu verschmähen; alle Vorgefühle können zu Führern dienen; alle Annäherungen an die Wahrheit haben ihren Werth. Nicht so verhält es sich mit den Angelegenheiten dieser Welt; man kann sie kennen, und eben deswegen muß man sie mit Klarheit darzustellen verstehen. Dunkelheit im Styl, wenn man von Gedanken ohne Gränzen handelt, ist bisweilen eine Anzeige von dem Umfange des Geistes selbst; aber Dunkelheit in der Zergliederung der Dinge dieses Lebens beweiset nur, daß man sie nicht begriffen habe.
    Bringt man die Metaphysik in die Angelegenheiten: so dient sie blos zu einer Verwirrung, die alles entschuldigen soll; man erregt alsdann Nebel, wohin gas Gewissen sich flüchten kann. Die Anwendung dieser Metaphysik würde angebracht seyn, wenn heutiges Tages sich nicht alles auf zwei sehr einfache und klare Ideen bezöge, nemlich Vortheil oder Pflicht. Energische Menschen — welcher von beiden Richtungen sia auch folgen mögen — gehen gerade auf das Ziel los, ohne sich um Theorieen zu bekümmern, die Keinen weder betrügen, noch überzeugen.
    Da sey ich, wird man sagen, darauf zurückgekommen, die Erfahrung und Beobachtung zu rühmen, wie die Uebrigen. Ich habe aber nie geläugnet, daß man beider bedürfe, um sich in die Angelegenheiten dieser Welt zu mischen. Aber im Gewissen des Menschen muß das ideale Princip eines äußerlich von weisen Bemerkungen geleiteten Betragens enthalten seyn. Die göttlichen Gefühle sind hienieden mit irdischen Dingen im Kampf; dies ist die Bedingung des Daseyns. In unserem Gemüthe das Schöne; draussen der Kampf! Man muß für die Sache der Ewigkeit streiten, aber mit den Waffen der Zeit. Kein Einzelwesen gelangt weder durch die spekulative Philosophie, noch durch die Kenntniß der Geschäfte, zur vollen Würde des menschlichen Charakters; und nur die freien Institutionen haben den Vorzug, in den Nationen eine öffentliche Moral zu gründen, welche exaltirten Gefühlen Gelegenheit verschafft, sich in der Praxis des Lebens zu

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