Ueber Gott und die Welt
24. April 2003.
Sie haben schon vor Ihrer Promotion Aufsätze in unterschiedlichen Zeitschriften veröffentlicht. Wollten Sie Publizist werden?
Meine Abneigung gegen Reflexionen über meine Person erstreckte sich auch darauf, dass ich mir eigentlich nie überlegt habe, was für ein »Jemand« ich sein will. Ich liebe das Wort von Karl Kraus: »Ich interessiere mich nicht für meine Privatangelegenheiten.«
Als ich 1953 zwei Aufsätze über die »Action Française« schrieb, hat mich dieses politische Phänomen in Frankreich interessiert, und ich wollte meine Gedanken mitteilen. Dass man sich durch kontinuierliches Schreiben schließlich zu einem bestimmten Typus, etwa dem des Publizisten, fortentwickelt, das ist wohl so. Nur, wie ich später in der Philosophie nie sehr gründliche methodische Überlegungen angestellt habe, so habe ich auch damals keine Gedanken darauf verschwendet, ob ich jetzt anstreben sollte, Publizist zu werden.
Wofür ich mich aber entschlossen habe, war, einen Brotberuf zu ergreifen. Man kann ja nicht gleich vom Schreiben leben. Außerdem wollte ich das auch nicht, weil ich es hasste, schreiben zu müssen. Wer vom Journalismus leben will, ist gezwungen, etwas in einem Augenblick zu Papier zu bringen, wo er eigentlich noch ein bisschen nachdenken müsste. Ich habe es immer vorgezogen, mir beim Schreiben Zeit zu lassen. Als Redakteur oder freier Journalist hätte ich mir diese Freiheit nicht leisten können. Darum entschied ich mich, Verlagslektor zu werden.
Wie kamen Sie zum Stuttgarter Verlag Kohlhammer?
Das war reiner Zufall. Ein Mitstudent kannte den Verlagsleiter des Kohlhammer-Verlags aus gemeinsamer Wehrmachtszeit. Er erzählte mir, dass bei Kohlhammer ein Lektor gesucht werde, und fragte mich, ob ich daran Interesse haben könnte. Da ich noch gar nicht wusste, wovon ich nach der Promotion leben sollte, aber entschlossen war, an der Universität nicht weiter zu bleiben, antwortete ich geradeheraus: »Ja, gut, ich mache das.«
Die Stelle war schlecht bezahlt, gewährte aber viel Freiheit. Ich hatte mir ausbedungen, zu Hause zu arbeiten. Dem Verleger gegenüber argumentierte ich: »Schauen Sie, wenn ich als Lektor acht Stunden am Tag im Verlag am Schreibtisch sitzen soll, dann habe ich ein Problem. Wenn ich zu Hause oder in der Landesbibliothek arbeite und mir die Zeit frei einteile, haben Sie mehr davon, als wenn ich hier im Büro meine Zeit absitze.« Den Verleger überzeugte das.
Wie muss man sich Ihre Lektoratsarbeit vorstellen?
Vor allem eingehende Manuskripte hatte ich zu lesen. Ich war als Sachbuchlektor für die Bereiche Philosophie, Geschichte und Archäologie zuständig. Die angenommenen Manuskripte mussten korrigiert, Übersetzungen überprüft, dann aber auch Autoren angegangen und für Projekte gewonnen werden. Ich erinnere mich noch an die Kontrolle der Übersetzung von »A Study of History« (»Der Gang der Weltgeschichte«) von Arnold J. Toynbee.
Für ein philosophisches Buch habe ich mich besonders eingesetzt: »The Meaning in History« von Karl Löwith, das 1949 in den USA erschienen war. In Deutsch wurde es 1953 bei Kohlhammer in der Übersetzung von Hermann Kesting unter dem Titel »Weltgeschichte und Heilsgeschehen« publiziert. Löwith war kurz zuvor nach Deutschland zurückgekehrtund hatte auf Betreiben Hans-Georg Gadamers eine Philosophieprofessur in Heidelberg angetreten.
Haben Sie sich auch um das wichtige Buch eines anderen deutschen Emigranten, Leo Strauss, mit dem Titel »Natural Right and History« bemüht?
Das wurde an den Verlag Koehler in Stuttgart vermittelt. Leider. Ich hätte es sicher sehr gern betreut. Als das Buch 1956 erschien, las ich es wie eine Bibel. Wonach ich suchte, schien mir hier erfüllt zu sein. Von da an wurde für mich der normative Begriff der Natur und des Natürlichen bedeutsam. Die Entdeckung von Leo Strauss war für mich schicksalhaft.
Haben Sie sich neben Ihrer Tätigkeit als Lektor überhaupt weiter mit Philosophie beschäftigt?
Gewiss, zum Beispiel habe ich nach der Promotion, also im Jahr 1952, begonnen, alle Platon-Dialoge und -Briefe systematisch zu lesen. Viele Dialoge kannte ich, aber ich hatte mir nie ausführliche Exzerpte angelegt. Das konnte ich jetzt nachholen. Daraus entstanden Aufzeichnungen – mit genauer Notiz der Seitenzahlen und Textstellen, mit Stichworten, Inhaltsangaben und Kurzfassungen –, von denen ich noch heute profitiere. Mein Gedächtnis in Bezug auf Textstellen ist leider schlecht. Bei
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