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Über Nacht - Roman

Über Nacht - Roman

Titel: Über Nacht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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stöberte.
    Als ich die Wasserflasche aus dem Kühlschrank nahm, fiel mein Blick auf einen herausgerissenen Zeitungsabschnitt. Er steckte zwischen Designkatalogen und älteren Ausgaben der Zeitschrift
Domus
. Ich zog die Seite heraus, eine Hochglanzphotographie von zwei leicht geöffneten, nackten Frauenbeinen in grazilen Sandaletten, dazwischen lagen behaarte Männerbeine, deren Füße in schwarzen Lederschuhen steckten. Von den Männerschuhen sah man nicht viel mehr als die Sohlen. Was hatte Vittorio an dieser Aufnahme interessiert? Das Bett war nicht sichtbar, nur angedeutet in den weißen Leintüchern, andere Möbel waren nicht zu erkennen. Es lag wohl an meiner Müdigkeit, daß ich das Gefühl hatte, die Beine bewegten sich in einem regelmäßigen Auf und Ab. Ich mußte mich kurz am Kühlschrank festhalten, weil mir schwindelig war,dann nahm ich die Wasserflasche und die Caffettiera, ging hinaus in den Verkaufsraum.
    Â«Du mußt sehr müde sein», sagte Vittorio. Er nahm mir die Flasche aus der Hand. «Willst du nicht nach Hause fahren? Soll ich dir ein Taxi bestellen?»
    Ich blickte auf seine Schuhe, Mokassins zum Hineinschlüpfen; er haßte Sandalen, fand staubige Füße unappetitlich. «Ja, bald», antwortete ich, trank meinen Kaffee in einem Zug aus und trug die Tasse nach hinten. Wie unter Zwang fächerte ich ein paar Bücher auf, aber weder in
modern chairs
noch in
Furniture
fand ich Photos oder Zeitungsabschnitte, die mich in meinen Recherchen weitergebracht hätten. Ich notierte in aller Eile ein paar Telephonnummern, die neben dem Faxgerät auf einem Block standen und weiblichen Vornamen zugeordnet waren, wußte aber nicht so recht, was ich damit anfangen sollte. Jede einzelne Frau anrufen und fragen, ob sie mit Vittoio geschlafen habe?
    Â«Zweitausend ist mein letztes Angebot», hörte ich Vittorio sagen.
    Â«Wie plump diese Bellini-Stühle doch sind, wenn man sie mit Kjaerholms Modell PK22 vergleicht», lenkte der Kunde ab, «und dabei sind die Bellinis gute zwanzig Jahre älter.»
    Ich öffnete vorsichtig eine Schreibtischlade und tastete mich durch Papierstöße und Kuvertvorräte. In der zweiten Lade wurde ich fündig: Unter Meterbändern, Stiften und Schnüren vergraben lag ein samtenes Etui mit einem Schlüssel. Auf dem Plastikanhänger stand: SL Volsci. Da im Geschäft nicht mehr gesprochen wurde, machte ich einen Schritt zur Tür hin und warf einen Blick nach draußen. Der Kunde umrundete den Jacobsen-Sessel und meinte nun, er werde sich das Angebot noch einmal durch den Kopf gehen lassen. «Wir sehen uns in Testaccio, ich rufe Sie an.»
    Ich steckte den Schlüssel in meinen BH, schob die Lade zuund ging zur Spüle, um meine Tasse auszuwaschen; das schmutzige Geschirr der Vortage ließ ich stehen. Mit noch nassen Händen stellte ich mich zu Vittorio in den Geschäftseingang.
    Â«Ein Wahnsinniger», sagte er kopfschüttelnd, nachdem der Mann die Straße überquert hatte und in eine Seitengasse eingebogen war.
    Â«Er hat dich beeindruckt.»
    Â«Ja. Ich fürchte, die Modellnummern und Jahreszahlen stimmen, die er genannt hat. Ich muß noch besser werden.» Vittorio drehte sich um, faßte mich am Handgelenk.
    Â«Du siehst erschöpft aus und doch – so anziehend.» Er zog mich ins Geschäft, schnappte mit seinen Lippen nach meinem Ohrläppchen. «Komm», sagte er. Seine Stimme klang sonderbar, beinahe heiser.
    Er schob mich ins hintere Zimmer, legte seine Stirn an meinen Hinterkopf. Ich gab seinem Druck nach, beugte mich leicht nach vorne. Vittorio machte sich an Kleid und Slip zu schaffen. Ich spürte seine Hand an meinem Hintern, mit der anderen umfaßte er meine linke Brust.
Fattura
las ich. Vor mir lag eine Rechnung über einen Sessel, den er gestern verkauft hatte; oben links hatte er das Lieferungsdatum und die Adresse des Kunden notiert. Ich spürte in regelmäßigen Abständen den harten Tisch an meinen Oberschenkeln. Dachte an den Schlüssel, der auf der rechten Seite im BH steckte. «Ja», sagte ich, «ja.» Ich stöhnte ein bißchen, streckte meinen Rücken durch. Dann kam er, fast unmerklich, nach ein paar schnellen Bewegungen.
    Â«Ich liebe dich», sagte Vittorio und knöpfte seine Hose zu. Er sah glücklich aus, und ich war erleichtert, daß es passiert war. «Ich liebe dich», sagte

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