Ueberdosis
Stimme geweckt zu werden. Es muß dem Paradies sehr nahe kommen.«
Sie lachte gegen ihren Willen; ihr Lachen klang noch angenehmer als ihre Stimme. »Also? Was kann ich wirklich für Sie tun?«
»Sie könnten sich scheiden lassen«, schlug Markesch vor. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Sophie ihm einen angewiderten Blick zuwarf. »Aber ich fürchte, ich schweife schon wieder ab.«
»Das fürchte ich auch«, bestätigte Anna Singer. »Vielleicht sollten Sie doch mit der gnädigen Frau sprechen. Wenn Sie gegen eins noch einmal anrufen, ist sie bestimmt wieder da.«
»Zu spät. Ich habe mich bereits an Sie gewöhnt. Ich habe nur ein paar Fragen. Zum Beispiel brauche ich den Namen und die Adresse von Michaels Freundin.«
Anna Singers Stimme veränderte sich wieder; sie klang jetzt bedrückt, bekümmert. »Ja, natürlich. Der arme Junge! Es ist einfach unvorstellbar, daß er etwas mit diesem schrecklichen Heroin zu tun hatte … Seine Freundin heißt Susanne Großmann. Soviel ich weiß, studiert sie ebenfalls Chemie. Ihre Anschrift … Warten Sie bitte einen Moment.« Er wartete, dann nannte sie ihm eine Adresse in der Kölner Innenstadt. »Es ist wirklich furchtbar. Michaels Tod hat die gnädige Frau sehr getroffen. Glauben Sie, daß er ermordet wurde? Daß Sie den Mörder finden werden?«
»Wenn es einen Mörder gibt, finde ich ihn«, versicherte Markesch mit mehr Überzeugungskraft, als er tatsächlich spürte. »Wohnte Michael bei seiner Mutter?«
»Er hatte ein Apartment in diesem Hochhaus, im Uni-Center, aber er war ziemlich oft hier in Marienburg. Das heißt, so oft er konnte. Sein Studium hat ihn sehr beansprucht.«
»Wie war das Verhältnis zwischen ihm und seinem Onkel, Lukas Hommberg?«
Sie zögerte. Nur kurz, aber Markesch bemerkte es. Und sie schien ihre nächsten Worte sorgfältig zu formulieren. »Herr Hommberg hat Michael häufig gesehen. In der Firma. Er hat ihm erlaubt, die Laboreinrichtungen zu benutzen. Michael studierte Chemie aus Leidenschaft, wissen Sie; manchmal blieb er bis spät nachts in der Firma und führte dort seine chemischen Experimente durch. Wieso fragen Sie danach? Ich meine, was hat das Verhältnis zu seinem Onkel …«
»Ich versuche nur, mir ein Bild von Michaels Persönlichkeit zu machen«, sagte Markesch rasch. »Im Moment wäre das alles. Vielleicht benötigte ich später die Schlüssel zu Michaels Apartment im Uni-Center. Oder ist es schon geräumt worden?«
»Nein. Die gnädige Frau hat noch keine Anweisung gegeben, was mit seinen Sachen geschehen soll.« Anna Singer senkte die Stimme. »Ich glaube, sie ist jetzt dort. Es ist schrecklich. Ich fürchte, sie will nicht wahrhaben, daß ihr Sohn tot ist. Verstehen Sie, was ich meine? Gestern, nachdem sie bei Ihnen war, hat sie noch die halbe Nacht in Michaels Zimmer hier in der Villa gesessen und …«
»Ich verstehe«, unterbrach Markesch. »Vielen Dank, Anna. Sie haben mir sehr geholfen. Und noch etwas … Überlegen Sie sich die Sache mit der Scheidung, ja?«
Sie kicherte. »Ich bin nicht verheiratet.« Dann legte sie auf.
Markesch saß da, trank seinen Kaffee und starrte nachdenklich das Telefon an. Michael Maaßen hatte also mit Erlaubnis seines Onkels bis spät in die Nacht Experimente im Labor des Pharma-Unternehmens durchgeführt. Warum hatte Hommberg nichts davon erwähnt? Weil es erklärte, wieso es dem Jungen so leicht gefallen war, mit Hommbergs Schlüssel den Giftschrank mit dem Morphin zu öffnen? Fühlte er sich in irgendeiner Weise mitverantwortlich?
»Wenn ich es nicht besser wüßte«, sagte Sophie dicht an seinem Ohr, »könnte ich mir glatt einbilden, daß dir so etwas wie Gedanken durch den Kopf gehen. Mit wem hast du telefoniert? Mit der Friedhofsverwaltung? Vermißt man dich schon? Oder ist man froh, daß man dich endlich los ist?«
Markesch blinzelte ihr zu. »Es war Doktor Ripper, der Vorsitzende des Vereins deutscher Mädchenmörder und Frauenschänder e.V.«, sagte er heiter. »Der gute Doktor meinte, ich hätte diesen Monat mein Pensum an Untaten noch nicht erfüllt. Der gute Doktor riet mir, mich sofort ans böse Werk zu machen. Hast du zufällig ein Messer für mich da, mein Zuckerpüppchen? Ich will den guten Doktor nicht enttäuschen.«
Sophie schauderte und versetzte damit nicht nur ihre Apfelbrüste unter dem dünnen T-Shirt in Aufregung. Dann verzog sie den leuchtend roten Schmollmund zu einem mitleidigen Lächeln.
»Aber wer soll dir um diese Uhrzeit denn verraten, wie ein
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