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Ueberdosis

Ueberdosis

Titel: Ueberdosis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
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das Ende der Welt gekommen war, und Markesch dachte an die vier apokalyptischen Parkstudenten aus dem Café Regenbogen. Wahrscheinlich hätten sie an dem Alten ihre helle Freude gehabt.
    Dann dachte er an Sophie und die Todesanzeige.
    Ich muß etwas unternehmen, sagte er sich. Diese Frau treibt mich sonst noch in den Wahnsinn. Verdammt, gibt es denn kein Gesetz dagegen, jemand für tot zu erklären? Dabei ist sie erst achtzehn Jahre alt. Himmel, was wird sie erst anstellen, wenn sie zwanzig ist?
    Er schüttelte den Regen aus den Haaren und stellte mißmutig fest, daß der Aufzug zum Intercity-Restaurant außer Betrieb war. Mürrisch nahm er die Treppe und prallte fast mit einer gedrungenen Frau zusammen, die zwei Koffer von der Größe durchschnittlicher Wohnzimmerschränke schleppte.
    Kurz dachte er daran, ihr den Rat zu geben, die nächste Reise mit einer Möbelspedition zu unternehmen, aber ein Blick in ihr finsteres Gesicht hielt ihn davon ab. Sie war der Typ Frau, der keinen Spaß verstand.
    Im Intercity-Restaurant war es brütend heiß. Die Kellnerinnen, die in ihren weißen Blusen und grünen Schürzenkleidern aussahen, als wären sie von der Bundesgartenschau ausgeliehen worden, schienen keine große Freude an ihrer Arbeit zu haben. Nach ihren Mienen zu urteilen, betrachteten sie jede Bestellung als persönliche Schikane.
    Markesch konnte es ihnen nicht verübeln.
    Sie hatten einen langen Tag hinter sich, und von den Gästen wirkte keiner sympathisch genug, daß er ihn mit Begeisterung bedient hätte. Selbst die weiblichen Gäste reizten ihn nicht; in einem Kohlenkeller um Mitternacht wären sie vielleicht schön gewesen, aber im hellen Lampenlicht waren sie so attraktiv wie alte Schuhe.
    Markesch grinste boshaft.
    Manchmal hatte er das Gefühl, daß er sich zum Menschenfeind entwickelte, aber er glaubte nicht, daß es an ihm lag. Eher an den Menschen.
    Er fand einen freien Tisch an der zur Domseite gelegenen Fensterfront, und nach mehreren vergeblichen Versuchen gelang es ihm, eine Kellnerin heranzuwinken und einen Scotch zu bestellen. Von seinem Platz aus konnte er bequem den Eingang im Auge behalten. Ein rascher Rundblick überzeugte ihn, daß Laschke – er war immer mehr davon überzeugt, daß es sich bei dem Informanten um Laschke handelte – noch nicht eingetroffen war: keiner hatte diesen bestimmten erwartungsvoll-ängstlichen Gesichtsausdruck, den ein Mann in Laschkes Situation haben mußte.
    Der Scotch wurde serviert, und er trank.
    Dann stand er auf und inspizierte kurz die Toilette. Die Türen konnten von den Tischen nicht eingesehen werden. Wer auch immer Michael Maaßens Mörder beim Verlassen der Toilette beobachtet hatte, mußte ihm direkt über den Weg gelaufen sein.
    Markesch kehrte an seinen Tisch zurück.
    Hatte Laschke deshalb der Polizei gegenüber geschwiegen? Weil er wußte, daß der Mörder auch ihn gesehen hatte? Weil er Angst hatte, als Zeuge aufzutreten?
    Aber da war immer noch das alte Problem, daß Michael Maaßen sich nicht gewehrt hatte. Warum nicht? Barny, der weiß Gott nicht mehr zu verlieren gehabt hatte als ein erbärmliches, vom Entzug und von der Jagd nach neuem Stoff geprägtes Junkie-Leben, mußte von den Spanier niedergeschlagen werden, damit sie ihm die tödliche Spritze geben konnten. Michael Maaßen hingegen hatte keinen Widerstand geleistet, obwohl ein Hilferuf genügt hätte, ein halbes Hundert Gäste zu alarmieren.
    Markesch nippte an seinem Scotch.
    Vielleicht hatte er doch freiwillig seinem Leben ein Ende gemacht.
    Die Tür ging auf und ein Mann betrat das Lokal.
    Laschke.
    Es mußte Laschke sein; sein gehetzter Blick, seine mißtrauische, von Zweifeln und Unsicherheit geprägte Miene verrieten ihn. Er war ein schlanker Mann Ende Vierzig mit schwarzen, zweifellos gefärbten Haaren, energisch gekrümmter Nase und leicht aufgeschwemmtem Gesicht. Seine Kleidung – Anzug, heller Mantel, Lederschuhe – war von bemüht seriöser Eleganz, aber bereits ein wenig fadenscheinig, als wäre sie zu oft getragen worden.
    Markesch winkte ihm zu.
    Laschke stutzte und schien halb entschlossen, auf dem Absatz kehrtzumachen, doch dann sackten seine Schultern nach unten und er kam mit schleppenden Schritten an Markeschs Tisch.
    »Sie sind Markesch?«
    »Setzen Sie sich, Laschke.«
    Laschke schluckte. Wie betäubt sank er auf einen Stuhl. »Sie wissen, wer ich bin? Sie sind von der Polizei!«
    Es klang, als hätte er damit gerechnet.
    »Ich bin Privatdetektiv«, sagte Markesch

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