Ueberdosis
Hände zitterten.
Angst, dachte er.
»Werden wir verfolgt?« Sie blickte sich um, starrte durch die Heckscheibe hinaus in die regnerische Nacht.
Paranoia, dachte er.
Susanne Großmann rauchte mit schnellen, nervösen Zügen und drückte die Zigarette im Aschenbecher aus.
»Danke, daß Sie so schnell gekommen sind«, sagte sie leise. In ihren Elfenaugen schwammen Tränen. »Ich hatte solche Angst.«
»Was ist passiert?« Er bog in eine Seitenstraße und hielt den Rückspiegel im Auge. Nichts. Keine Scheinwerfer. Niemand verfolgte sie. Er entspannte sich. »Was ist mit Ihrem Bruder?«
»Toldeo«, sagte sie. »Toldeo und seine Leute … Sie haben ihn entführt. Er wollte aussteigen. Wie Michael. Aber sie … Mein Gott, vielleicht bringen sie ihn um!«
»Die Spanier.«
»Ja. Der Mann, der mich auf der Straße bedroht hat … Jorge. Toldeos jüngerer Bruder. Er gehört dazu. Toldeo ist der Kopf. O Gott, es ist alles Hommbergs Schuld! Hätte Michael nur nicht auf ihn gehört …«
Markesch steuerte die Nord-Süd-Fahrt an. Die Straßenlaternen zogen wie Fixsterne an ihnen vorbei.
»Vielleicht sollten Sie die Geschichte von Anfang an erzählen«, sagte er barsch. »Hat Hommberg die Idee mit der Amphetaminproduktion gehabt? Oder Michael?«
Sie zündete eine neue Zigarette an, rauchte, blickte wieder nach hinten.
»Keine Angst.« Markesch gab seiner Stimme einen beruhigenden Klang. »Niemand verfolgt uns. Und ich bin bei Ihnen. Sie sind in Sicherheit, Susanne.«
Sie lächelte scheu, dankbar. Aber in ihren Elfenaugen waren noch immer Tränen.
»Es begann mit diesem Streit«, sagte sie. »Zwischen Michael und seiner Mutter. Sie wollte ihn immer bevormunden, ihn ganz für sich haben, und als sie merkte, daß Michael und ich … daß es zwischen uns beiden etwas Ernstes war … Sie wollte uns auseinanderbringen. Sie benutzte ihr Geld als Druckmittel. Gott, sie hat richtig versucht, ihn zu erpressen. Weil sie Angst hatte, ihn zu verlieren. Sie wollte oder konnte nicht einsehen, daß sie ihn dadurch erst recht verlor. Vor ein paar Monaten kam es dann zu diesem schrecklichen Streit zwischen den beiden, und Michael nahm sich das Apartment im Uni-Center. Ich habe ihm gesagt, daß er bei mir wohnen kann, aber er wollte nicht. Er wollte sich nicht von einer Abhängigkeit in die andere begeben. Als er auszog, sperrte sie ihm sein Konto. Natürlich mußte sie ihm Unterhalt zahlen, solange er studierte, aber sie weigerte sich.«
»Er hätte den Unterhalt einklagen können«, warf Markesch ein.
»Wer verklagt schon die eigene Mutter? Außerdem war Michael zu stolz. Nach dem Streit wollte er nichts mehr mit ihr zu tun haben. Er wollte ihr Geld nicht. Er wollte auf eigenen Beinen stehen. Michael fand einen Job in einer Kneipe, aber das Geld reichte vorne und hinten nicht, und sein Studium litt darunter. Und dann …«
Sie schüttelte den Kopf.
»Es war Onkel Lukas’ Idee, Hommbergs Idee. Er hatte Schulden. Spielschulden, wie Michael mir erzählte …«
»Ich weiß«, nickte Markesch. »Hommberg hat Michael demnach vorgeschlagen, Amphetamin zu produzieren und zu verkaufen?«
»Ja. Es war einfach. Es war kein Problem. Die Laboreinrichtungen der Firma standen ihm zur Verfügung. Er gab seinen Kneipenjob auf und verbrachte zwei Wochen lang jede Nacht in der Firma. Ich glaube, er hat zwanzig oder dreißig Kilo Amphetamin hergestellt.«
»Allein?«
»Peter hat ihm geholfen. Mein Bruder. Ich weiß nicht, warum. Peter brauchte das Geld nicht. Es war … muß Abenteuerlust gewesen sein. Von einem Kommilitonen wußte Peter, daß in einem Lokal in Ehrenfeld …«
»… im El Lobo …«
»… Drogen verkauft wurden. Er ging hin und bot den Stoff an. Einfach so. Ein Kindskopf. Ein Idiot. Er war sich nicht einmal klar darüber, daß er etwas Verbotenes tat. Nicht richtig, verstehen Sie? Es war … dumm. Mein kleiner Bruder. Er ist nur ein Jahr jünger als ich, aber er ist für mich immer mein kleiner Bruder gewesen.«
»Fand er einen Käufer?«
»Ja. Jorge. Er übernahm mehrere Kilo Amphetamin und freundete sich mit Peter an. Und mit Michael. Jorge ist ein – ein Verbrecher, wissen Sie, was ich damit meine? Da waren diese beiden dummen kleinen Jungen, die kiloweise Amphetamin zu einem lächerlich geringen Preis anboten, und Jorge … Nun, er wußte, daß er eine Goldgrube entdeckt hatte. Und dann …«
Susanne Großmann schauderte.
»Dann war da dieser Bericht in der Zeitung. Über ein junges Mädchen. Sie hatte Amphetamin
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