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Überfahrt mit Dame

Überfahrt mit Dame

Titel: Überfahrt mit Dame
Autoren: Henry James
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Spielpartner) mit einer überbackenen Käseschnitte und einem heißenGetränk. Wir hatten die Karten weggelegt, aber während sie auf diese Stärkung wartete, saß sie da, die Ellbogen auf den Tisch gestützt, und mischte ein Spiel.
    »Sie hat bislang kein Wort mit mir gewechselt – sie wird es auch weiterhin nicht tun«, bemerkte sie kurz darauf.
    »Ist es denn möglich, dass irgendjemand auf diesem Schiff noch kein Wort mit Ihnen gewechselt hat?«
    »Dieses Mädchen nicht – sie weiß es ganz genau!« Mrs. Peck warf mit wissendem Lächeln einen Blick in die kleine Runde – sie hatte vertrauliche, mitteilsame Augen. Einige Personen aus unserer Gesellschaft hatten sich nach dem Brauch der fröhlichen Schiffspassagiere zu später Stunde versammelt, um zum Abschluss des Tages gegrillte Sardinen und scharf gewürzte Rippchen zu verzehren.
    »Was weiß sie?«
    »Oh, sie weiß, dass ich es weiß.«
    »Nun, wir wissen, was Mrs. Peck weiß«, teilte mir eine der Damen der Gruppe in überheblichem Tonfall mit.
    »Sie würden es nicht wissen, wenn ich es Ihnen nicht erzählt hätte – aufgrund ihres Verhaltens«, sagte unsere Freundin mit einem wenig bezaubernden Lachen.
    »Sie reist zu einem Gentleman, der in Übersee lebt – er wartet auf sie, um sie zu heiraten«, fuhr die andere Dame fort, als sei ihre Information aus erster Hand. Ich weiß noch, dass sie Mrs. Gotch hieß und ihr Mund so aussah, als würde sie ohne Unterlass pfeifen.
    »Er weiß es längst – ich hab es ihm erzählt«, sagte Mrs. Peck.
    »Na, vermutlich weiß es jeder«, ergänzte Mrs. Gotch.
    »Liebe Madam, geht es irgendjemanden etwas an?«, fragte ich.
    »Finden Sie denn nicht auch, dass sie sich recht eigenartig verhält?« Mrs. Gotch war offenkundig von meinem kleinen Einwand überrascht.
    »Na, es passiert doch vor aller Leute Augen – wie ein Bühnenstück im Theater –, als hätten Sie Eintrittsgeld bezahlt«, sagte Mrs. Peck. »Wenn Sie das nicht öffentlich nennen!«
    »Bringen Sie da nicht einiges durcheinander? Was bezeichnen Sie als öffentlich?«
    »Na die Art, wie sie auftreten. Sie sind jetzt gerade dort oben.«
    »Sie schmusen dort oben die halbe Nacht«, sagte Mrs. Gotch. »Ich weiß nicht, wann sie herunterkommen. Irgendwann, wenn es ihnen passt. Selbst nachdem das letzte Licht erloschen ist, sind sie noch oben.«
    »Oh, die werden nie müde. Die brauchen keine Ablösung – wie die Schiffswache!«, lachte einer der Gentlemen.
    »Nun, was ist so schlimm daran, wenn sie gern zusammen sind?«, fragte ein anderer. »An Land würden sie sich nicht anders verhalten.«
    »Sie würden es nicht auf offener Straße tun, nehme ichan«, sagte Mrs. Peck. »Und sie würden es nicht tun, wenn Mr. Porterfield in der Nähe wäre!«
    »Ist das nicht genau der Punkt, an dem Sie durcheinandergeraten?«, erwiderte ich. »Dass Miss Mavis und Mr. Nettlepoint immer zusammen sind, ist wirklich öffentlich, aber dass sie heiraten wird, ist vollkommen privat.«
    »Wie können Sie das sagen – wenn es sogar die Matrosen wissen! Der Kapitän weiß es, und alle Offiziere wissen es. Sie sehen sie dort, besonders nachts, während sie das Schiff steuern.«
    »Ich dachte, für so etwas gibt es Regeln!«, warf Mrs. Gotch ein.
    »Na, die gibt es – dass man sich anständig benehmen soll«, schob Mrs. Peck nach. »Das weiß ich vom Kapitän – er sagte, es gebe Regeln. Er meinte, die müsse es geben, wenn sich Personen zu unschicklich verhalten.«
    »Ist das der Begriff, den er verwendet hat?«, fragte ich.
    »Nun, vielleicht hat er gesagt, wenn sie zu viel Aufmerksamkeit erregen.«
    Ich wagte, den Unterschied klarzustellen. »Wir sind es, die Aufmerksamkeit erregen – indem wir über etwas reden, was uns nichts angeht und wovon wir tatsächlich gar nichts wissen.«
    »Sie sagte, der Kapitän habe angedroht, sie gleich nach unserer Ankunft zu verraten«, fuhr Mrs. Gotch nichtsdestotrotz munter fort.
    » Sie sagte …?«, wiederholte ich verwirrt.
    »Nun, er meinte, es sei seine Pflicht, Mr. Porterfield zu informieren, wenn er kommt, um sie in Empfang zu nehmen – wenn sie so weitermachen«, sagte Mrs. Peck.
    »Ach, die werden so weitermachen, keine Bange!«, rief einer der Gentlemen.
    »Meine liebe Madam, der Kapitän erlaubt sich einen Spaß mit Ihnen«, war meine angemessene Antwort.
    »Nein, das macht er nicht – er hält es wirklich für einen Skandal. Er sagt, er betrachte uns als eine große Familie und möchte nicht, dass die Familie auf Abwege
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