Überfahrt mit Dame
nicht. Der mürrische Gentleman, der, wie Forrest später erfuhr, Kaufhäuser in Bridgetown, Barbados, besaß, wurde noch von anderen Damen begleitet. Seine Tochter kam als Erste zum Vorschein, als sie sich am zweiten Tag zum Abendessen schleppte, behauptete, keinen Bissen essen zu können, und prophezeite, sie werde nach fünf Minuten gezwungen sein, sich wieder zurückzuziehen. In dieser Hinsicht überraschte sie sich und ihre Freunde jedoch auf erfreuliche Weise. Dann erschienen die Frau des mürrischen Gentlemans und der Bruder der Frau des mürrischen Gentlemans – auf dessen Befindender Seegang eine ebenso heftige Wirkung zu haben schien wie auf das der Damen. Und schließlich, zum Frühstück am vierten Tag, tauchte Miss Viner auf und nahm ihren Platz als Nachbarin zu Mr. Forrests Rechten ein.
Er hatte sie zuvor an Deck gesehen, als sie auf einer der Bänke gelegen und vergeblich versucht hatte, es sich bequem zu machen, und seinem Gefährten anvertraut, dass sie sehr unattraktiv, ja beinah hässlich sei. Meine lieben jungen Damen, Männer sprechen immer auf diese Art über Sie, wenn sie Sie erstmals an Bord eines Schiffes sehen! Sie war untröstlich, hatte Kummer und zudem noch körperliche Beschwerden. Sie mochte das Meer nicht. Den mürrischen Gentleman, in dessen Obhut man sie übergeben hatte, mochte sie noch weniger. Die Frau des mürrischen Gentlemans konnte sie nicht besonders gut leiden, und die Tochter des mürrischen Gentlemans, mit der sie die Kabine teilte, hasste sie ganz und gar. Jene junge Dame war seekrank und egoistisch, und auch Miss Viner war seekrank und womöglich ebenso egoistisch. Unter solchen Umständen hätten sie einander sogar gehasst, wenn sie Engel gewesen wären. Kein Wunder, dass Mr. Forrest sie für hässlich hielt, als sie sich auf der breiten Bank wand und vergeblich versuchte, es sich bequem zu machen.
»Sie wird wundervoll aufblühen, bevor wir die Tropen erreichen«, sagte Mr. Morris. »Und Sie werden sie dannnicht mehr so übel finden. Sie ist es, die neben Ihnen sitzen wird.«
»Gott behüte!«, sagte Forrest. Doch war er nichtsdestotrotz ausgesprochen höflich zu ihr, als sie am vierten Morgen tatsächlich erschien. An Bord der West-Indian-Postschiffe geht alle Welt zu den Mahlzeiten nach unten. Bei der Überfahrt von Liverpool in die Vereinigten Staaten geht alle Welt nach oben.
Miss Viner war keineswegs eine blutjunge Dame. Auch sie war beinah dreißig. Die Damen an Bord, die ihr Alter schätzten, hielten sie für sechsunddreißig, aber sie irrten sich. Sie war Irin, und wenn man ihr an Land begegnete, in ihrem natürlichen Zustand, und wenn sie alle fünf Sinne beisammen hatte, war sie keineswegs unattraktiv. Sie hatte strahlende Augen, eine reine dunkle Haut und gute Zähne, ihr Haar schimmerte dunkelbraun, und um ihre Mundwinkel lag ein Hauch von Feingefühl und auch von Humor, was sie vor Mr. Forrests voreiliger Kritik gerettet hätte, wären sie einander unter günstigeren Bedingungen zum ersten Mal begegnet.
»Sie werden sie noch oft zu sehen bekommen«, sagte Mr. Morris zu ihm, als sie sich unmittelbar nach dem Frühstück mit einer Zigarre auf das Mittagessen vorbereiteten. »Sie überquert den Isthmus und reist weiter nach Peru.«
»Meine Güte, woher wissen Sie das denn?«
»Ich weiß inzwischen recht gut, wohin sie alle unterwegssind. Der alte Grantler hat es mir erzählt. Er hat sie bis St. Thomas am Hals, weiß aber nichts über sie. Dort übergibt er sie der Obhut des Kapitäns. Sie haben die Chance, sich bei ihr lieb Kind zu machen, während Sie mit ihr nach Südamerika reisen.«
Mr. Forrest erwiderte, dass er sie wohl nicht besser kennenlernen werde, als er sie jetzt schon kenne, aber er sprach nie wieder über ihre Hässlichkeit. Sie hatte mit ihm bei Tisch ein oder zwei Worte gewechselt, und er hatte bemerkt, dass ihre Augen strahlten und sie eine liebliche Stimme besaß.
»Ich fahre ebenfalls nach Panama«, sagte er am Morgen des fünften Tages zu ihr. Zu dieser Zeit war das Wetter wunderschön, und die Oktobersonne, die auf sie herabschien, während sie mit jeder Stunde weiter nach Süden vordrangen, war angenehm und freundlich. Das große Schiff lag fast reglos über den Tiefen des Atlantiks, während es mit zwölf Meilen die Stunde durch die Wellen pflügte. Mittlerweile war alles an Bord so angenehm, wie es nur sein konnte, und Mr. Forrest hatte vergessen, dass Miss Viner ihm so hässlich vorgekommen war, als er sie das erste Mal
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