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Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen

Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen

Titel: Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Deutschkron
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menschliches Leid in den Jahren der Hitlerdiktatur zu bereichern. Ich tat es, um ein Dokument zu schaffen, das den Menschen – und nicht nur den Deutschen, auch der Jugend in Israel und in anderen Ländern der Welt, denen sich der Nationalsozialismus meist nur als unfaßbare geschichtliche Hinterlassenschaft darbietet – begreiflich macht, was damals geschah, und daß es für Verbrecher, wenn sie die Macht errungen haben, weder Recht noch Gesetz gibt.
    Das Leiden unschuldiger Kinder zu schildern, erschien mir als hoffnungsvollste Möglichkeit, die Barriere des Nicht-wissen-Wollens zu durchstoßen. Das Buch sollte die Erkenntnis fördern, daß man alles über den Hitler-Staat wissen muß – auch das Schrecklichste –, um das ganze Ausmaß seiner Unmenschlichkeit zu begreifen. Nur so kann jeder für sich selbst die Entscheidung treffen, ob er frei von Verantwortung zu sprechen ist oder nicht.
    So ist eine Dokumentation von Zeugenaussagen über Kinderschicksale entstanden – beileibe keine vollständige –, denen nichts hinzugefügt und von denen nichts abgestrichen wurde. Natürlich konnten die Aussagen nur selten im Original wiedergegeben werden, da sie in verschiedenen Sprachen gemacht wurden. Ihre Übersetzung bedurfte einer gewissen Redaktion. Aber das geschah mit der größten Sorgfalt, in Kenntnis der Materie und unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Zeugen. Dabei stand ich vor dem Problem, nicht nur Schilderungen schrecklicher Mordtaten an Kindern wiederzugeben, wenngleich diese den überwiegenden Teil des gebotenen Materials ausmachten. Ich erfuhr bei dem Sammeln des Materials auch, daß Kinder in Vernichtungslagern „gelebt“ haben – manche länger, manche kürzer. Und diese Schilderungen sagen meiner Meinung nach über die Mentalität der Henker und die Empfindungen von Kindern in ihrer Not fast noch mehr aus als die Schilderungen ihrer Vernichtung.
    In dieser Dokumentation sind auch einige Berichte über den SS-Lagerarzt von Auschwitz, Dr. Josef Mengele, enthalten, der für seine medizinischen Experimente an Zwillingen berüchtigt war. Mengele konnte sich bisher der Justiz entziehen; die Berichte entstammen verschiedenen, auf ihren Wahrheitsgehalt geprüften Quellen.
    Schließlich habe ich es unterlassen, festzustellen, wie viele Kinder den Tod fanden oder wie viele überlebten. Der Versuch, das Martyrium von Kindern in zuverlässigen Zahlen zu erfassen, wäre sicher unmöglich gewesen – für die Absicht dieses Buches schien es mir überdies belanglos zu sein. Wenn bei einigen Kritikern, die gern durch Zahlen überzeugt sein wollen, dadurch der Eindruck entstehen sollte, daß es sich hier nur um eine gefühlsbeladene Zusammenstellung handeln kann, muß ich das in Kauf nehmen.
    Die Versuchung lag nahe, die Zeugenaussagen durch Dokumente zu belegen. Tatsächlich haben ja die Nationalsozialisten nicht davor zurückgescheut, die „Behandlung“ von Kindern der von ihnen als minderwertig deklarierten Völker in Schriftstücken und Erlassen niederzulegen. Mir aber schienen diese Dokumente viel weniger „glaubhaft“, viel weniger überzeugend, zuwenig unmittelbar, als daß sie als anschauliche Bestätigung der Geschehnisse dienen könnten. Die Berichte von Augenzeugen schienen mir eine eindringlichere Sprache zu sprechen.
    Ich habe dieser Dokumentation einige Gedichte und Zeichnungen hinzugefügt, die Kinder im Konzentrationslager oder unmittelbar nach ihrer Befreiung anfertigten und die meist durch Zufall erhalten blieben. Nicht alle dieser jungen Künstler überlebten diese Zeit.
    Ich muß in diesem Zusammenhang besonders den Verantwortlichen des Auschwitz-Museums dafür danken, daß sie mir einige solcher Zeichnungen überlassen haben. Zwei der Kinder, deren Zeichnungen hier wiedergegeben wurden, sind heute in Israel bekannte Maler – Avigdor Arikha und Jehuda Bacon. Ich bin ihnen zu Dank verpflichtet, daß sie mir einige ihrer Zeichnungen zur Veröffentlichung überließen.
    Arikha, der 1929 in der Bukowina geboren wurde, ist von 1941 bis 1944 durch verschiedene Lager in der Ukraine geschleppt worden. 1944 rettete ihn das Internationale Rote Kreuz und brachte ihn ins damalige Palästina, wo er sofort nach seiner Ankunft die Eindrücke seiner Erlebnisse zu Papier brachte. Arikha starb kürzlich in Paris.
    Jehuda Bacon wurde ebenfalls im Jahre 1929 geboren. Er stammt aus Mährisch-Ostrau und kam über Theresienstadt nach Auschwitz. Ein Auszug seiner Erfahrungen in Auschwitz ist in diesem

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