Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen
stürmten. Und so scheint man in Deutschland auch im Fall Eichmann zu denken: Der Paragraph des Gesetzes steht immer über den Prinzipien. Das beweisen die vielen Fälle, nach denen heute ehemalige Nazis ihre Pensionen erhalten – nur nach legalen und formalen Erwägungen!
Nach und nach wurde den Deutschen klar, daß der Eichmann-Prozeß mit großer Wahrscheinlichkeit und wieder einmal in aller Deutlichkeit die brutalen Einzelheiten der Geschichte der vergangenen Jahre aufdecken könnte. Monatelang würde die Welt den Aufzeichnungen der Verbrechen zuhören, die von Deutschen verübt wurden. Die Gegner Deutschlands würden gierig jedes kleine Verbrechen vermerken, um es gegen Deutschland auszuspielen, und die heutige Generation ebenfalls schuldig sprechen, von denen letztlich nur wenige Verantwortung tragen. Deutschlands Freunde hingegen würden es nicht leicht haben, das Land gegen eine neue Welle von Haß und Anfeindungen zu verteidigen, die der Eichmann-Prozeß mit sich bringen würde.
Und zuletzt könnte der Eichmann-Prozeß Fakten über gewisse führende deutsche Politiker, die mit der Nazibewegung verbunden gewesen sind, zutage fördern. Eichmann hat der Regierung in Bonn bereits zu verstehen gegeben, daß er sich nicht scheuen würde, auch hochrangige Politiker der Bundesrepublik zu belasten. Offensichtlich war dies seine Reaktion auf den Beschluß der Bonner Regierung, ihm keinerlei Rechtshilfe zu gewähren und auf eine Auslieferung des in Israel Angeklagten zu verzichten, zumal es keinen entsprechenden Vertrag zwischen den beiden Ländern gibt.
Viele Deutsche sind jedoch der Ansicht, daß Eichmann als deutscher Staatsbürger von einem deutschen Gericht verurteilt werden müsse. Die deutsche Regierung sieht die Situation etwas anders: Stimmte Israel einer Auslieferung Eichmanns nach Deutschland zu, würde er erst nach seiner Verurteilung in Israel vor einem deutschen Gericht stehen. Da ihm in Israel mit großer Wahrscheinlichkeit die Todesstrafe droht, müßte er nach den Gerichtsverhandlungen in Deutschland nach Israel zur Vollstreckung zurückkehren. Mittlerweile ist die Todesstrafe in Deutschland abgeschafft worden, daher käme die Rückkehr Eichmanns nach Israel zur Vollstreckung des Urteils einem Bruch der deutschen Verfassung gleich.
Egal, wo der Prozeß gegen Eichmann stattfinden wird, stets wird er eine Vielzahl von noch ungeklärten Naziverbrechen ans Licht bringen. Es hielt sich in Bonn das Gerücht, Bundeskanzler Adenauer habe Ministerpräsidenten Ben-Gurion gebeten, seinen Einfluß geltend zu machen, daß Eichmann nicht durch das israelische Gericht genötigt würde, irgendetwas über die Rolle von Dr. Adenauers Staatssekretär Dr. Hans Globke auszusagen, der in seiner Eigenschaft als Ministerialrat in Hitlers Innenministerium Verfasser eines der Kommentare zu den Nürnberger Rassegesetzen von 1935 war. Der Eichmann-Prozeß wird als Mahnung dienen, daß die Deutschen besser daran getan hätten, die diversen schuldig gewordenen Naziverbrecher schon in den frühen Nachkriegsjahren zu bestrafen, anstatt ihnen Gelegenheit zu geben, Positionen in hohen Regierungsämtern einzunehmen. Doch der Wohlstand der Nachkriegszeit trug wohl mit dazu bei, daß man vergaß, vergab und unangenehme Tatsachen verdrängte.
Das sind die Gründe für das plötzliche Schweigen der Mehrheit der Deutschen im Fall Eichmann. Indes, die Tageszeitungen erlauben den Lesern nicht, über die Eichmann-Geschichte so einfach hinwegzugehen. In einer täglichen Kolumne erinnern und warnen sie, daß der Prozess in Jerusalem ihnen keine Chance geben wird, sich vor den Tatsachen zu verstecken. Die deutsche Nation wird in Jerusalem unsichtbar mit auf der Anklagebank sitzen.
Überleben – eine Herausforderung
Die ewige Muttersprache
Im Alter vermindert sich oft die Fähigkeit, die zweite Sprache fließend zu sprechen, auch wenn das vorher der Fall gewesen war. So wie im Alter die Erinnerung an die Jugendjahre stärker wird, bekommt auch die Muttersprache wieder Vorrang. Daraus wird ersichtlich, daß die Bindung eines Menschen an die ehemalige Heimat nicht einfach abgebrochen werden kann, auch wenn manche das herbeisehnten in der Hoffnung, das neue Land werde nun zur Heimat werden.
Und so nahm der Emigrant seine Muttersprache mit sich bis an sein Lebensende und natürlich auch die Gründe, die ihn aus seinem Heimatland vertrieben hatten. Das Deutsch, das die Emigranten sprachen, war natürlich das Deutsch, das sie sprachen, als sie
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