Überleben auf Partys: Expeditionen ins Feierland (German Edition)
Experten anrufen?«, fragt Verena, und die ersten Mädels legen die Hand vor die Stirn. Verena ignoriert es. Corinna muss sich eingestehen, die Unnachgiebigkeit, mit der Verena und Bea sich fetzen, auch irgendwie erregend zu finden.
Bea schmollt.
Verena sagt: »Ja? Muss ich?«
Verena weiß: Sie muss. Denn wenn Bea einmal recht hat, kann kein Mädel sie vom Gegenteil überzeugen. Generell schafft das keine Frau. Der Feminismus ist an Bea spurlos vorübergegangen. Sie glaubt ausschließlich Männern über sechzig Jahren, grau und mit Professorentitel.
Verena seufzt und geht die Treppen hoch ins Büro zu ihrem PC. Die Mädels bleiben schweigend unten sitzen und nippen an ihren Gläsern. Corinna folgt Verena nach oben und findet sie vor dem Computer, konzentriert nach einem Experten suchend. Sie wird fündig und nimmt den Hörer in die Hand.
»Meinst du nicht, du könntest es dieses Mal …?«, flüstert Corinna in der Tür des Büros, doch Verena zischt »Pssst!« und hebt die linke Hand, während sie mit der rechten den Hörer gegen ihre schöne Wange presst.
Wie bestimmend sie sein kann, denkt Corinna, da bebt der Uterus.
Auf der anderen Seite der Leitung geht jemand ran.
»Ja. Spreche ich da mit Prof. Dr. Almuth Wiener von der Universität Kiel? Ozeanologe?«
Aufgeregtes Wispern im Hörer.
»Ja, ich weiß … mir ist klar … ich weiß … oh, haben wir wirklich schon Mitternacht?«
Überaus aufgeregtes Wispern im Hörer.
»Herr Professor, es ist mir klar, dass Sie Ihre Privatnummer nicht unter die Büronummer geschrieben haben, damit man Sie samstagnachts anruft, aber ich brauche wirklich dringend Ihre Hilfe.«
Im zweiten Halbsatz legt Verena einen warmen Schmelz in ihre Stimme, eine Mischung aus Mädchen auf Papas Schoß und Femme fatale an einer Nachtbar in Madrid. Corinna bekommt Schweißausbrüche. Im Hörer glaubt sie, Musik zu erkennen.
»Feiern Sie?«, fragt Verena.
Eine Antwort.
»Sie werden heute fünfundsechzig? Erzählen Sie doch nicht so was! Ich habe hier auf der Webseite Ihr Foto vor mir und sehe darauf einen gut aussehenden Gelehrten von höchstens fünfundfünfzig Jahren. Aber die besten fünfundfünfzig. Wissen Sie, dass Sie Ähnlichkeit mit Sean Connery haben?«
Mein Gott, schmiert Verena dem Mann Honig um den Mund. Corinna stellt sich vor, wie sie ihr Honig um den Mund schmiert, ganz sanft trägt sie ihn ihr mit den Fingerspitzen auf die Lippen auf, um ihn danach mit der Zungenspitze abzulecken.
Verena steht auf, hält den Daumen in die Höhe, grinst Corinna an, als liefe in ihrem Kopf gerade kein Verena-Porno, eilt mit dem Hörer die Treppe hinab und schaltet den Lautsprecher ein, sodass alle – vor allem Bea – mithören können.
»Herr Professor Wiener vom Ozeanologischen Institut Kiel«, sagt Verena, damit Bea begreift, dass eine Autorität im Hörer steckt, »wir sind Ihnen überaus dankbar, dass Sie sich an Ihrem fünfundsechzigsten Geburtstag die Zeit nehmen, uns ganz normalen Mädels aus der Außenwelt eine Frage zu beantworten.«
Im Hintergrund hört man noch eine Sekunde lang Gläserklirren, Lachen und ein Lied von Udo Jürgens, dann herrscht Stille, da der Professor in sein Privatbüro gegangen ist. Wahrscheinlich steht er jetzt zwischen Eichenholzregalen voller Atlanten und Globen in einem Raum, dessen Tür schwerer ist als Bea samt ihres Fiat Punto.
»Dann schießen Sie mal los«, sagt der Professor. Die Mädels hören, dass er gut drauf ist. Als hätte er gerade Sex gehabt oder wenigstens ein fantastisches Kompliment gehört.
»Liegt Bombay am Indischen Ozean?«
Stille im Hörer.
Corinna betritt erst jetzt das Wohnzimmer. Sie hat sich im Bad eiskaltes Wasser über Schläfen und Handgelenke laufen lassen.
»Hallo? Herr Professor?«
»Ist das eine Scherzfrage?«
»Nein, meine Freundin hier bestreitet zweierlei. Erstens: Sie sähen nicht aus wie Sean Connery, sondern wie Roger Moore. Darüber könnte ich diskutieren. Zweitens: Bombay liege nicht am Indischen Ozean, sondern am Arabischen Meer und das wären, ich zitiere, zwei Paar Schuhe. Ich finde, das ist eindeutiger zu beantworten.«
Der Professor atmet tief ein, als fände er die Frage »Connery oder Moore« weitaus interessanter. Es klimpert. Er scheint sich ein Glas einzugießen. Er sagt: »Das Arabische Meer ist Teil des Indischen Ozeans. Zwischen der arabischen Halbinsel und dem indischen Subkontinent bilden beide somit eine Wasserfläche. Also sozusagen ein Paar Schuhe. Oder besser: ein
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