Überleben auf Partys: Expeditionen ins Feierland (German Edition)

Umlaufbahnen streunen sie um das Gebäude herum.
    Der DJ in der Scheune spielt »Sexy« von Westernhagen. Schlimmer geht’s nimmer. Tim, Tom und Thomas spielen »Ruder Than Rude« von den Busters, Ska-Punk mit ganz viel Gebläse. Das Bier in ihren Adern lockert die Glieder und sie skanken lachend auf dem Rasen im Kreis vor dem Bus umher. Es sieht aus, als würden sie spielerisch wie kleine Welpen gegenseitig ihren Schwanz jagen.
    Thomas keucht, weil ihn das hektische Gezappel mittlerweile außer Atem bringt. Außerdem fühlt er sich übermütig. Er hat schon lange kein solches Wochenende mehr mit den Jungs verbracht.
    »Alter«, japst er, als das Lied zu Ende geht, an den Kombi gelehnt, und hält sich rülpsend den Bauch: »Wenn man das Bier hier drin in Kilo umrechnet, habe ich heute Abend schon zweimal meinen kleinen Sohn gesoffen.«
    »Du bist pervers«, grinst Tom.
    Tim legt eine neue Kassette ein. Er hat jetzt Lust auf härteren Stoff. Sämtliche Tapes stammen noch aus der Schulzeit. Ein Gitarrenriff ertönt, dunkler als ein Gewitter und lauter als eine Bodenoffensive.
    Hannes stapft herbei und zeigt auf die Scheune: »Da drin spielt die Musik!«
    »Hannes …«, sagt Tom beschwichtigend, doch in den VW-Bus-Boxen schreit ein Mann dazwischen: »Let freedom ring with a shotgun blast!!!«
    Tim hebt beide Arme und imitiert das Gebrüll lautlos mit geschlossenen Augen, den Mund weit aufgerissen.
    »Boah, Leute …«
    Auf dem Hügel gegenüber der Scheune haben ein paar Gäste mittlerweile ein Partyzelt aufgeschlagen. Es ist von innen erleuchtet. Unter der Petroleumlampe läuft ein Pokerturnier. Im Kassettenrekorder brettern Machine Head ihr akustisches Flakfeuer von 1994 herunter.
    Thomas stößt sich von seiner Familienkutsche ab, stupst Tim und Tom an und sagt: »Jungs, wir sollten echt mal reingehen.«
    Tim nickt gütlich und dreht die Apokalypse leiser.
    Tom hebt wieder seinen berühmten Spitzfindigkeitsfinger: »Tim, ich sage dir: Auf einer Scheunenparty die Scheune zu betreten bringt Unglück.«
    »Ach, Tom …«, sagt Tim, schaltet die Kassette aus und zieht die Bustür zu.
    »Jetzt macht ihr mich glücklich«, sagt Hannes.
    Tom warnt seine Freunde erneut: »Da drin gibt’s 33 Sorten Schnaps.«
    Tim dreht sich vor seinem Bus herum, steckt den Schlüssel in die Hosentasche und zieht die Brauen hoch: »Ja, Tom, eben drum. Oder denkst du, ich gehe wegen Marius Müller-Westernhagen da rein?«
    Merke ➙ Der männliche Teil der Menschheit spaltet sich im Prinzip in zwei Hälften auf. Die eine Hälfte hört Lieder mit Textzeilen wie »Ruder than rude« oder »Let freedom ring with a shotgun blast«, ist aber viel zu gelassen, tatsächlich einen Krieg anzuzetteln. Die andere hört Westernhagen.
    »Mein lieber Scholli, das artet ja richtig in Arbeit aus«, lallt Thomas, betrunken und glücklich, den vierzehnten Schnaps in nur einer Stunde geschafft zu haben.
    Tim ist schon zu Sorte 20 vorgeprescht, dem Friesengeist.
    »Ich habe es euch gesagt«, keckert Tom. Er hat immer noch den Zeigefinger erhoben, aber in einem Comic kreisten nun bereits Wölkchen um seine Stirn.
    »Ich habe es euch gesagt …«
    Der DJ gibt Vollgas und spielt »Human« von den Killers. Ein Pokerspieler aus dem Turnierzelt huscht in die Scheune, schüttet einen Viertelliter Wodka aus einer der Flaschen in ein paar Gläser um, klemmt sie zwischen die Finger und hüpft wieder rüber. Die Spaziergänger, die während der ganzen Party nur den See umrundet haben, stecken ihre Kapuzenjackenköpfe durch das Scheunentor, heben die Hand und rufen: »Hannes! Wir sind dann weg!« Der kriegt es nicht mit, denn er tanzt alleine mit einer Dorfschönheit vor dem DJ-Pult herum und legt singend den Kopf in den Nacken.
    »Oh, pass auf, die nicht!«, bellt Tom und hält die Hand auf die 21. Flasche, aus der Tim sich gerade eingießen will.
    »Davon habe ich was im Fernsehen gesehen. Bei RTL.« Tom spricht das RTL in Besoffenensprache aus, es klingt wie » RADDDLLLL «, aber jeder hier weiß, was gemeint ist. Tim sieht Tom stirnrunzelnd an.
    »Das ist gepanscht.« Tom tippt mit der Fingerspitze auf den Flaschenhals. »Ich erkenne das Etikett. Albanska Borovicka. Da wirst du blind von. Methanol! Methanol!«
    Tim schmatzt gütlich, stiert Tom an und äfft seine Warnung dann nach: »Methanol! Methanol!«
    Tom tobt: »Ich mache hier keinen Spaß. Das war bei Stern TV . Zwanzig Leute vergiftet. Oder waren es zweihundert? Jedenfalls, seit Freitag gilt in Tschechien ein