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Überleben auf Partys: Expeditionen ins Feierland (German Edition)

Überleben auf Partys: Expeditionen ins Feierland (German Edition)

Titel: Überleben auf Partys: Expeditionen ins Feierland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann , Sylvia Witt
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landesweites Schnapsverbot.«
    »Du bist auch so ’n Schnapsverbot.«
    Tim zerrt an der Flasche, aber Tom hält sie fest. Thomas greift sie sich überraschend, die beiden lassen los, und er kippt sich einen Schluck des tschechischen Killergesöffs in den Hals.
    »Nicht lang schnacken, Kopp in’ Nacken!«
    »Bist du irre?«, grient Tom. Er klingt wie ein kaputter Föhn.
    Thomas setzt ab und sieht sich um, als bemerke er erst jetzt, wo sie sich befinden: »Jungs, verdammt? Was machen wir in der Scheune???«
    Tom hebt die Hände: »Meine Rede!!! Meine Rede!!!«
    Thomas rennt zur Tür und winkt den Jungs wie einer Einsatztruppe in einem Söldnerfilm: »Schnell! Raus, raus, raus!«
    Er läuft hinaus, am Pokerzelthügel vorbei bis zum Rand des Maisfelds. Dort hockt er sich hin, als müsse er vor anstürmenden Feinden auf der anderen Seite des Felds in Deckung gehen. Seine Hände umklammern die von drinnen entwendete Fuselflasche wie ein Fantasiegewehr.
    »Hier rüber, schnell!«, ruft er den Jungs zu.
    Er weiß, dass er sich sinnlos und albern aufführt, die ganze Welt ein einziger Nonsens. Er hat ein Wochenende frei, die Frau ist in Stuttgart bei einer Freundin und das Kind bei der Oma. Er hat heute zu Ska getanzt und das erste Mal seit achtzehn Jahren wieder »Davidian« von Machine Head gehört. Er hat tschechischen Methanolschnaps getrunken, vor dessen Genuss Stern TV öffentlich warnt. Und er weiß: Sobald der Morgentau das Gras rund um den Volvo benetzt, wird er aus dem Heck stürzen und in der feuchten Kälte auf Knien das Kotzen anfangen. Kurzum: Er fühlt sich fantastisch.
    Merke ➙ Jeder Mann benötigt mindestens einmal im Jahr die Option, sich vollständig sinnlos und lebensmüde zu verhalten. Wird diese ihm verweigert, bricht irgendwann ein Krieg aus. Dann … und wenn zu viele Leute Westernhagen hören.
    Tim und Tom erreichen Thomas in der Dunkelheit.
    »Ist die Luft rein?«, flüstert er. Tim spielt mit und späht über die Maisstängel.
    »Keine feindliche Einheit zu sehen.«
    »Ja«, sagt Thomas und steht ächzend auf, »du hast gut reden.« Er zeigt auf seinen Bauch und die Flasche Fusel, die er in der Hand hält. »Der Tscheche ist längst hinter unseren Linien und höhlt unsere Wehrkraft aus. Durch dieses Gift hier!«
    Er wirft die Pulle ins Gestrüpp am Feldrand.
    Dann sieht er seine Jungs an.
    Seine alten Freunde.
    »Wisst ihr, was wir jetzt machen? Was wir jetzt und hier machen?«
    »Nö«, üben sich Tim und Tom im Synchronantworten.
    »Was wir eigentlich mit fünfzehn hätten machen sollen!«
    Tim runzelt die Stirn. Er schwankt ein wenig.
    Thomas sagt, den Blick zum Mond gerichtet: »Die große Lücke in unserer Biografie!«
    Tom begreift, worauf Thomas anspielt. Sein Zeigefinger erwacht wieder zum Leben, dieses Mal im Modus kräftiges Fächern von links nach rechts .
    »O nein! O nein, nein, nein!«
    »Doch! Doch! Doch!«, sagt Thomas, völlig enthemmt vom Gift des Tschechen.
    »Was will er?«, fragt Tim Tom.
    »Erinnerst du dich noch an die Dorfdisco, in die wir früher immer gegangen sind? Wo wir jedes Mal die vielen Pfandflaschen gesammelt haben? Wo immer ›Stand By Me‹ in der Version von Pennywise lief? Und dieses völlig obskure Lied von der Truppe, die nur ein Lied hatte? ›Mutha made you/ Mutha fuck you!‹«
    Tim strahlt, so begeistert von der Erinnerung an den asozialsten Hit der frühen 90er, wie es nur 21 Schnäpse vermögen. Weit ausholend, als trüge er Baggy Pants und Unterarmtattoos, macht er den Song nach: »Smokin suckaz wit logic in effect/ all you punk muthafuckers out there y’all know what time it is/ strictly murda music for 1993 ya know what i’m sayin/ yeah son!«
    Thomas ruft, als stünde er am Bett eines Komapatienten, der soeben die Augen aufschlägt: »Er erinnert sich!«
    Tim tobt, reißt einen Maiskolben vom Stängel und hält ihn als Mikro fest in der Faust wie ein Ghettogangster mit Wollmütze: »This track goes out to all young bitch niggaz/ ya think ya don’t what time it is!!!«
    Tim hält mitten in seiner Rage inne und schaut Tom an: »Moment mal. Bei der Dorfdisco gab’s auch ein Maisfeld. Und da wollte Thomas immer …«
    Jetzt spielt auch Tims Zeigefinger den ausladenden Scheibenwischer: »O nein, nein, nein!«
    »Doch, Jungs!«, insistiert Thomas. »Wenn wir’s jetzt nicht machen, machen wir es nie mehr. So trunken kommen wir nicht mehr zusammen. Ich muss das jetzt machen, der Tscheche hat mich vergiftet. Morgen kann ich schon blind sein.«
    Tim

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