Überleben oder Scheitern: Die Kunst, in Krisen zu bestehen und daran zu wachsen (German Edition)
Schule Wäsche waschen, obwohl wir hatten keine Waschmaschine, spülen, aufräumen, Tiere versorgen und ich musste Wasser holen vom Fluss oder vom Bach. Das war viel Arbeit und ich konnte nicht gut lernen, weil ich müde war. Ich bin manchmal ohne Schuhe, kaputte Uniform, ohne Essen, Bücher und Material in die Schule gegangen, weil meine Eltern kein viel Geld hatten. (…)
Nach der Schilderung des Alltags und der Situation zuhause und in der Schule folgen die Passagen über den Beginn des Martyriums:
Meine Eltern waren befreundet mit einer Gruppe schlechter Menschen. Die Gruppe macht unerlaubte Sachen: Menschen bedrohen, Autos kaputt machen und töten. Sie brennen die Häuser, wenn die Menschen das Geld nicht bezahlen, das sie fordern. Meine Mutter wollte raus aus der Gruppe, aber mein Vater hat immer gesagt: »Du weißt, dass sie dann den Mann, die Frau, das Kind oder die ganze Familie töten.« Meine Eltern hatten viel Angst, wenn die Männer sie besuchten und sagten: »Wenn ihr austretet, töten wir euch, damit ihr keine Geheimnisse verratet. Ihr wisst was passiert!« Sie kamen jeden Tag.
(…) Niemand wollte mir etwas sagen. Und dann kamen drei Frauen und gingen mit mir in ein Zimmer und schlossen die Tür. Zwei weinten und die dritte sagte mir, dass meine Eltern tot sind. Ich habe viel geweint und bin in Ohnmacht gefallen.
(…) Nach Weihnachten sollte ich für meine Oma einkaufen. Auf dem Rückweg ging ich durch den Wald und hörte den Vögeln zu. Plötzlich wurde ich von hinten von vielen Männern gepackt. Sie haben meine Augen zugebunden und Erde in meinen Mund gesteckt und sie haben mich in den Wald getragen. Ich hatte Angst, dass sie mich töten würden. Sie haben mich vergewaltigt, einer nach dem Anderen. Ich lag auf Dornen und es hat sehr wehgetan. Es hat ungefähr eine Stunde gedauert. Ich habe Erde geschluckt und keine Luft bekommen, weil sie mich gewürgt haben. Sie haben mich auch geschlagen und gebissen. Sie haben mich mit Stöcken und mit den Händen auf den Rücken und den Po geschlagen. Ich habe geblutet am ganzen Körper. Als sie fertig waren haben sie gesagt, ich soll zu niemand sagen, was passiert ist. Wenn ich etwas sage, werden sie mich töten wie meine Eltern. (…) Meine Oma fragte immer wieder, was passiert ist. Ich war sehr verwirrt und durcheinander. Meine Oma kochte Aloevera mit Wasser und Salz und sagte, ich solle mich damit auswaschen. Das ist ein altes afrikanisches Hausrezept, wenn man kein Geld hat für einen Arzt oder einen Krankenhausbesuch. Das Auswaschen tat sehr sehr weh. In der Nacht hatte ich viele Schmerzen. Meine Oma weinte viel und wir konnten die ganze Nacht nicht schlafen. Eine Zeitlang versteckte ich mich bei Freundinnen. Als ich zurück kam war meine Oma weg. Ich weiß bis heute nicht, ob sie lebt oder ob sie tot ist.
Das Trauma-Narrativ endet mit dem neuen Leben in Deutschland:
Am nächsten Tag kam das Jugendamt mit ein Dolmetscher und hat alles gefragt wo ich her komme und was passiert ist. Ich habe ihm alles erzählt. Ich war sehr traurig und habe jeden Tag viel geweint. Dann kam immer ein Junge aus Eritrea und brachte mir seinen Kopfhörer mit dem Lied von Bob Marley: »Baby don’t worry about a thing, every little thing is gonna be alright!« Das hat mir ein bisschen geholfen. Ich habe Deutschunterricht bekommen, es gab einen Schwimmkurs und gutes Essen. Alle waren sehr nett. Ich bin im Krankenhaus medizinisch untersucht worden. Die Ärztin hat zu meiner Betreuerin gesagt, dass ich schwanger bin. (…) Am 11.10. habe ich meinen Sohn geboren, er ist jetzt schon acht Monate alt. Seit dem 15. Januar mache ich eine Therapie.
Mary ist ein beeindruckendes und Mut machendes Beispiel dafür, wie wichtig und lohnenswert es ist, dass unsere Gesellschaft junge traumatisierte Menschen unterstützt und ihnen neue Perspektiven eröffnet. Die pädagogische und psychotherapeutische Begleitung ermöglichte es ihr, in der erstaunlich kurzen Zeit von zwei Jahren ihre dramatischen Erlebnisse in der Vergangenheit ruhen zu lassen und sich ein neues Leben aufzubauen. Inzwischen macht sie tatsächlich eine Ausbildung zur Floristin und bereitet ihren Auszug aus dem Mutter-Kind-Heim vor. Sie umsorgt ihr Kind liebevoll und wird in Zukunft mit ihm in einer eigenen kleinen Wohnung leben.
Eine so positive Entwicklung wie die von Mary macht uns deutlich, was die 2500 Jahre alte Erkenntnis des griechischen Philosophen Heraklit für einen erfolgreichen Umgang mit Krisen und
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