Übersetzt du noch oder verstehst du schon?
Spruch nun übersetzen sollen, dann geht es Ihnen ähnlich wie mir, der ich als Werbeprofi in Deutschland und den USA schon einiges erlebt habe. Demzufolge wurde in Vorbereitung dieses Buches die Pressestelle von SONY um Auskunft gebeten. Es bedurfte aber genau acht Telefonate und diverse E-Mails, bis eine Auskunft erhältlich war. Demnach soll der Claim mit:
Alles, was du dir vorstellen kannst
übersetzt werden.
An dieser Stelle sei die Frage erlaubt, ob es nicht im Sinne der Werbebotschaft sinnvoller gewesen wäre, gleich die Übersetzung zu wählen.
Die Top Ten der Werbesprache
And the winner is …
SALE
Nein, damit ist kein Nebenfluss der Elbe gemeint, auch keiner mit Tippfehler, und es hat auch nichts mit Sälen zu tun. Vielmehr heißt „to sale“ (sprich säil) nichts anderes als „verkaufen“ und „ist eben der „Verkauf“.
Da ist es schon verwunderlich, dass seit einigen Jahren fast jedes Bekleidungsgeschäft mit SALE wirbt, in den Schaufenstern wie in den Warenauslagen. Eine Zählung in der Kölner Schildergasse, einer der beliebtesten Einkaufstraßen Deutschlands, ergab im Juni 2010 auf 300 Metern 150 Mal das Wort SALE einzig und allein in und an Schaufenstern sowie auf von außen sichtbarer Werbung. Tatsächlich verzichtete nur ein einziges Geschäft auf diesen Begriff, das war übrigens eine Filiale der Schuhkette DEICHMANN, die allerdings an anderer Stelle mit englischer Werbung auffällt.
„Sale“ wird insbesondere von Amerikanern gerne in vielen Kombinationen benutzt. Bekannt ist zum Beispiel:
4sale (für: for sale = zu verkaufen ) steht sehr häufig – insbesondere während der amerikanischen Immobilienkrise – auf kleinen Schildern in den Vorgärten
garage sale ist eine Art privater Flohmarkt, den Amerikaner gerne vor ihrer Haustür (oder eben in der Garage) veranstalten
summer sale/winter sale = Sommer-(schluss-)verkauf und Winter-(schluss-)verkauf
final sale : Ausverkauf
Die inflationäre Verwendung des Begriffes verwundert vor allem deshalb, weil doch allgemein bekannt ist, dass in Geschäften etwas verkauft wird. Das müsste man eigentlich nicht dranschreiben.
Nun heißt aber das Substantiv „sale“ nicht nur „Verkauf“, sondern auch „Verkaufsaktion“ (in dessen Rahmen reduzierte Waren angeboten werden). So gesehen benutzen die meisten Ladengeschäfte dieses Wort synonym für „reduziert“ – insbesondere seitdem in Deutschland im Rahmen der Änderung der Rabattgesetze der Sommer- und Winterschlussverkauf abgeschafft wurde. Es scheint, als wären damit auch gleichzeitig Wörter wie „Ausverkauf“ und „Schlussverkauf“ verpönt. Damit aber auch alle wissen, was gemeint ist, übersetzen viele den Begriff „sale“ zusätzlich für ihre Kunden. So schrieb GALERIA KAUFHOF im Sommer 2010 auf alle Plakate und Poster unter das Wort „sale“ in eckigen Klammern „[reduziert]“. Hätte man da vielleicht ein Wort einsparen können?
Ganz konfus wird es, wenn – wie häufig zu beobachten – das Wort „sale“ mit anderen Angaben kombiniert wird, z. B. als „SALE – bis zu 50 Prozent reduziert“ (auch bei GALERIA KAUFHOF beobachtet). Wird jetzt hier der Verkauf reduziert oder doch der Preis? Und wenn der Preis reduziert wird, warum sagt man das dann nicht?
Das Erste, was man als Werber lernt, ist, Werbeaussagen einfach zu gestalten, denn jeder Deutsche wird durchschnittlich am Tag mit ca. 3000 Werbebotschaften konfrontiert (es sei denn, er befindet sich auf einer ganztägigen Waldwanderung oder in einer Klosterzelle) – da ist es von Vorteil, wenn der potentielle Kunde nicht lange nachdenken muss. Schließlich nimmt er von den 3000 Botschaften nur drei bis maximal dreißig bewusst wahr.
Da darf man fragen, ob sich der deutsche Einzelhandel mit dem extremen Strapazieren des Wortes SALE einen Gefallen tut; zumal – neben der komplizierteren Kommunikation – Werbung auch immer Unterscheidung vom Wettbewerber bedeutet. Aber wenn alle SALE anbieten, vom Ramschladen bis zur Edelboutique, dann funktioniert das nicht.
Gute Werbung, schlechte Werbung – Warum Englisch häufig die zweitbeste Lösung ist
Die Werbewirkungsforschung ist ein weites Feld, das wahrscheinlich niemals ganz bestellt sein wird. Das ist auch gut so, sonst wäre vielleicht bald jede Werbung gleich und würde sich allein schon dadurch in ihrer Wirkung aufheben.
Bei allen verschiedenen Theorien und Forschungsansätzen gilt als unumstritten, dass gute Werbung positive Emotionen auslösen
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