Ufer des Verlangens (German Edition)
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»In welchem Bordell habt Ihr von Ihr gehört?«, fragte sie die Zigeunerin. »Wo befindet sich die Frau, die meiner Schwester so gleicht?«
»Sie ist in der Roten Laterne gesehen worden, doch Frauen haben keinen Zutritt zu diesem Haus.«
Zelda zögerte, und Esmeralda sah deutlich, dass die junge Lady noch etwas auf dem Herzen hatte. Schließlich schluckte sie und sprach es aus: »Ob ich Euch wohl bitten dürfte, noch einmal den Weg in die Rote Laterne auf Euch zu nehmen?«
»Und was soll ich dort?«
»Vielleicht gelingt es Euch, die Doppelgängerin meiner Schwester zu sprechen.«
»Aber was soll ich Ihr sagen?«
Noch einmal seufzte Zelda aus der tiefsten Tiefe ihresHerzens auf. Einen winzigen Moment zögerte sie, dann sah sie Esmeralda mit klarem Blick in die Augen und sprach: »Wenn die Frau tatsächlich Joan sein sollte was ich nach wie vor bezweifle, aber ich möchte mir niemals vorwerfen müssen, eine Möglichkeit nicht genutzt zu haben … Nun, wenn es tatsächlich so sein sollte, dass sie jemanden so sehr liebt, dass sie mit ihm nach Frankreich fliehen möchte und Vater und Schwester in großer Sorge zurücklässt, so sagt ihr …« Zelda musste noch einmal ganz tief Luft holen, ehe ihr die folgenden Worte über die Lippen kamen. »… dass ich ihrer Liebe nicht im Wege stehen möchte. Ich verzichte auf das Recht der Alteren und stelle ihr meine Mitgift zur Verfügung. Vielleicht nimmt mich Allistair Kingsley auch ohne Mitgift zur Frau, weil ihm am Frieden in den Highlands eben so viel gelegen ist wie mir. Tut er es nicht, nun, so muss eine andere Lösung gefunden werden. Ich jedenfalls bin bereit, an Joans Stelle ins Kloster zu gehen.«
»Warum ins Kloster? Ich glaube nicht, dass Ihr für ein solches Leben geschaffen seid.«
»Da habt Ihr wohl Recht. Doch meine Schwester bedeutet mir alles. Wenn sie tatsächlich einen Mann mit dieser Kraft liebt, dann hat niemand das Recht, sich dieser Liebe in den Weg zu stellen.«
Esmeralda nickte, dann trat sie spontan auf Zelda zu und umarmte sie. »Ihr seid eine bemerkenswerte junge Frau, wisst Ihr das?«, fragte sie. »Ich bewundere Eure Tapferkeit und Eure Bereitschaft, für das Glück anderer auf das eigene zu verzichten.«
Zelda zuckte mit den Schultern. »Es gibt nichts zu bewundern. Ich liebe meine Schwester und könnte niemals glücklich werden, wenn sie es nicht auch ist.«
Die Glocken der nahen Hafenkirche verkündeten mitzehn Schlägen, dass es längst an der Zeit war, nach Hause zurückzukehren.
»Lebt wohl, Zelda. Ich werde morgen noch einmal in die Rote Laterne gehen. Trefft mich gegen Mittag am Rand des Marktplatzes. Jetzt muss ich gehen.«
»Ich danke Euch, Esmeralda. Ihr habt viel für mich getan. Kommt sicher nach Hause! Gott schütze Euch.«
Esmeralda lächelte Zelda noch einmal an, dann entfernte sie sich auf leisen Sohlen und war nach wenigen Metern bereits mit der Dunkelheit verschmolzen.
Zelda stand ein wenig unschlüssig am Hafen und sah hinaus auf das Meer. Sie war verstört und wusste nicht, was sie Elizabeth erzählen sollte, die im Haus ihrer Tante sicherlich auf ihre Heimkehr wartete. Zelda war sich noch immer sieher, dass Joan nicht mit einem heimlichen Liebsten geflohen war. Nein, das Mädchen in der Roten Laterne musste eine andere sein.
Aber was war mit Joan geschehen? Noch einmal rief sich Zelda alle Ereignisse ins Gedächtnis zurück.
Wenige Tage vor ihrer Verlobung mit Allistair Kings-ley hatte sie am Bachelor-See einen Fremden getroffen, der sich Ian Laverty nannte. Sie hatte sich in ihn verliebt, doch der Frieden in den Highlands erforderte es, dass der alte Lord McLain sie, Zelda, dem ältesten Sohn des verfeindeten Clans der Kingsleys zur Frau gab. Joan, so ward beschlossen, sollte in einem Kloster eine neue Heimat finden, da die Mittel der McLains nicht ausreichten, beide Töchter mit einer Mitgift auszustatten.
In der Nacht vor Zeldas Verlobung verschwand Joan unbemerkt aus ihrem Gemach. Zelda fand eine Mantelschließe mit den Initialen I und L in Joans Zimmer.
So weit die Tatsachen.
Nichts deutete auf eine gewaltsame Entführung hin, da Joan weder um Hilfe gerufen noch sich sonst irgendwie bemerkbar gemacht hatte. War lan Laverty an Joans Verschwinden beteiligt? Es gab keine andere Lösung, die Mantelschließe verwies eindeutig auf ihn, den Fremden, der niemals zuvor in den Highlands gesehen “worden war.
Doch welches war der Zusammenhang zwischen Joan und lan?
Dass sie ein heimliches Liebespaar
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