Ufer des Verlangens (German Edition)
gealtert.
»Die Frage ist, was wir jetzt tun sollen«, warf Connor ein.
»Wir müssen nach ihr suchen«, sagte Margaret, die alte Amme.
Connor nickte. »Wenn es Euch recht ist, Mylord, soschicke ich meine Männer in die Umgebung. Irgendwer hat bestimmt etwas gesehen oder gehört. Ein Mensch verschwindet nicht einfach spurlos vom Erdboden. Auch zu den Kingsleys werde ich einen Boten schicken. Vielleicht können sie ein paar Männer entbehren.«
»Wo wollt Ihr suchen lassen?«, fragte Zelda, in deren Kopf sich bereits ein Plan formierte.
Connor zuckte mit den Achseln. »Zum Kloster werden wir reiten. In die umliegenden Dörfer und wenn es sein muss, bis nach Edinburgh.«
Zelda schrak bei der Nennung des Städtenamens hoch.
Natürlich! Joan war mit Ian nach Edinburgh geflohen. Er selbst hatte ihr am See gesagt, dass er dort lebte. Doch nicht nur diese Tatsache erschien ihr einleuchtend, sondern außerdem der nahe Hafen. Von dort gingen Schiffe hinüber zum Kontinent; nach Frankreich fuhren sie.
War es nicht möglich, dass Joan und Ian nach Frankreich fliehen wollten, um sich dort zu verheiraten? Vielleicht wollten sie sogar im fernen Land ein neues Leben aufbauen.
Noch immer hielt sie die Mantelschließe in der Hand.
Sollte sie Connor, ihrem Vater und den anderen erzählen, was sie vermutete?
Nein. Zelda schüttelte, ohne es zu merken, den Kopf. Sie würde niemandem sagen, dass Ian Laverty Joan geraubt oder mit ihr geflohen war. Der Zorn ihres Vaters wäre unermesslich, und ihre Schande, ihre Begegnungen mit dem Verlobten der Schwester am See, wäre offenbar.
Nein, Zelda musste schweigen und handeln. Es gab keinen anderen Weg.
»Ich werde Walther Bescheid sagen. Er soll ein Pferd satteln und zu den Kingsley-Manors reiten«, sagte sie und verließ festen Schrittes die Halle, lief über den Hof und betrat den Stall.
Sie sah Walther, der Rose gerade striegelte und dabei leise, freundliche Worte zu der Stute sprach, ohne zu bemerken, dass Zelda den Stall betreten hatte.
Rose schnaubte freudig, als sie ihre Herrin am Geruch erkannte, doch Walther striegelte unverdrossen weiter.
Zelda sah sich um, blickte zu dem Haken an der Wand, an dem Walther stets frische Beinkleider hängen hatte, um sofort für einen Weg bereit zu sein, wenn die Lordschaft ihn brauchte.
Auf Zehenspitzen schlich Zelda zur Wand und verbarg die Beinkleider unter ihren Röcken. Dann räusperte sie sich. Walther hielt in seinem Tun inne und drehte sich um.
»Ihr seid es, Mylady. Wollt Ihr zu Rose? Sie freut sich bestimmt über einen Ausflug. Das Wetter ist schön, wie geschaffen, um auszureiten. Die Stute ist noch jung, braucht viel Bewegung.«
»Nein, Walther«, winkte Zelda ab. »Es ist etwas Schreckliches geschehen, und wir benötigen deine Hilfe.«
Walther nickte traurig und sah verlegen zu Boden.
»Lady Joan, nicht wahr? Es geht um sie.«
»Ja. Sie ist weg, und mein Vater hat beschlossen, nach ihr zu suchen. Vielleicht ist sie noch irgendwo in der Nähe. Du aber sollst zu den Kingsleys reiten und sie fragen, ob sie ein paar Männer erübrigen können.«
Walther nickte. »Ich werde mich sofort auf den Weg machen. Nur umziehen muss ich mich noch.«
Er blickte zu dem Haken, an dem bis vor wenigen Minuten noch seine Beinkleider gehangen hatten. Siewaren weg. Er stutzte einen Moment, kratzte sich nachdenklich am Kinn, dann sagte er: »Ich habe wohl meine Sachen in meiner Kammer vergessen. Es dauert nur einen Augenblick, dann bin ich wieder zurück und mache mich auf den Weg.«
Zelda winkte ab. »Wir haben keine Zeit für modischen Firlefanz, Walther. Mit jeder Minute, die wir verstreichen lassen, entfernt sich Joan weiter von uns. Reite so, wie du bist. Die Kingsleys werden sich nicht daran stören.«
»Ihr habt wohl Recht, Lady Zelda.«
Er räumte die Pferdebürste zurück in einen alten Futterkasten, der als Behältnis für das Striegelzeug diente. Dann strich er sich flüchtig ein paar Strohhalme vom Körper, ging zu einem schwarzen Hengst, sattelte ihn in aller Eile und führte das Pferd aus dem Stall.
»Wohin sollen die Kingsley-Leute reiten?«, fragte er.
Zelda überlegte nur einen Lidschlag lang.
»Sag ihnen, sie sollen die Gegend nördlich ihrer Besitzungen absuchen. Wir werden von hier aus nach Westen, Osten und Süden ausschwärmen. Halt dich nicht auf, Walther. Komm gleich zurück, denn wir brauchen dich hier.«
»Jawohl, Lady Zelda.«
Er schwang sich auf sein Pferd und tippte grüßend an seine fleckige
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