Ufer des Verlangens (German Edition)
nach dem Weg zum Hafen und ging weiter.
An den Marktplatz schloss sich das Viertel der Metzger an. Überall hingen Schweine- und Rinderhälften, die meisten von schillernden Fliegen bedeckt. Es stank nach aasigem Fleisch und wimmelte von herrenlosen Hunden, die auf der Suche nach ein paar Knochen waren.
»Einen Penny, Sir. Nur einen Penny für einen armen Aussätzigen! «
Zelda erschrak, als sie plötzlich angesprochen wurde. Sie schaute hoch und sah in ein Gesicht, das von einer riesigen Kapuze überschattet war. Die Gestalt, von der sie nicht sagen konnte, ob es sich um eine Frau oder einen Mann handelte, trug einen bodenlangen Umhang trotz der Hitze. In der Hand hielt sie einen kräftigen Stock, an dem ein Glöckchen baumelte, das Zeichen der Aussätzigen.
Jetzt sah Zelda auch die ausgestreckte Hand, die von Geschwüren und eitrigen Wunden übersät war.
Schnell kramte sie ein Geldstück hervor und warf es in die Hand, jede Berührung vermeidend.
»Vergelt’s Euch Gott«, sagte die Gestalt und ging klingelnd und ihr Sprüchlein aufsagend weiter.
Endlich hatte Zelda den Hafen erreicht.
Zwei mächtige Karavellen mit großen Segeln hatten an der Pier festgemacht. Hafenarbeiter rollten große Fässer über ein schmales Brett von einem der Schiffe herunter.
Ein Hafenmeister stand daneben und notierte, was ein anderer Mann neben ihm aufsagte: »Dreißig Fässer Wein aus dem Burgund. Zwanzig Ballen Tuch aus Mailand, zwei Kisten Glas aus Böhmen, waidgefärbtes Leinen aus Augsburg.«
Zelda wäre gern stehen geblieben und hätte noch etwas länger zugeschaut, doch sie hatte keine Zeit.
Sie musste das Kontor eines Schiffseigners finden, dessen Karavelle als Nächstes nach Frankreich und auf den Kontinent fuhr.
Sie fragte einige Hafenarbeiter und wurde schließlich an ein Kontor verwiesen, das am Ende des Hafens lag und von weitem ein wenig heruntergekommen aussah.
Zelda lief an Speichern vorbei, passierte eine Stelle, an der die Fischer Dundees ihre Netze und Kähne liegen hatten, und kam schließlich an den letzten Speicher des Hafens.
Er war bis auf den letzten Platz mit Säcken, Ballen und Fässern gefüllt. Es dauerte eine ganze Weile, bis Zelda sich an die darin herrschende Dunkelheit gewöhnt hatte und den kleinen Verschlag fand, in dem ein dürrer Mann mit verfilztem Bart hinter einem großenHolztisch thronte und mit einer Schreibfeder in einem Kontorbuch herumkratzte.
Zelda reckte die Schultern und ging langsam näher.
»Gott zum Gruße, Sir«, sagte sie höflich.
Der Mann sah auf, betrachtete Zelda mürrisch, dann fragte er: »Was wollt Ihr?«
»Fragen wollt ich, wann das nächste Schiff nach Frankreich geht.«
Der Mann blätterte in seinem Buch, dann antwortete er: »Morgen bei Sonnenaufgang. Warum wollt Ihr das wissen?«
»Hat es Passagiere an Bord?«
Der mürrische Mann strich sich über den ungepflegten Bart. »Wollt Ihr buchen?«
Zelda schüttelte den Kopf. Sie überlegte, ob sie die Wahrheit sagen sollte, ob sie nach Joan fragen sollte. Doch der Mann im Verschlag sah verschlagen aus. Seine schlitzartigen Augen fixierten sie so prüfend, als hätte sie gefragt, ob sie auf einem seiner Schiffe Kapitän werden könne.
»Ich überlege, ob ich auf den Kontinent reisen soll«, sagte sie schließlich würdevoll und richtete sich sehr gerade auf. »Geschäfte mit den Franzosen sind sehr gefragt. Mir liegt ein Angebot vor, über das es sich nachzudenken lohnt.«
»Was für Geschäfte?«, fragte der Mann und sah noch misstrauischer drein.
»Dies und das«, erwiderte Zelda und machte eine Handbewegung, die den ganzen Speicher einschloss. »Die Manors, von denen ich komme, sind sehr reich. Wir haben Wolle zu verkaufen, gutes Tuch, aber auch Schmiedearbeiten. «
Der Mann schlug sein Kontorbuch mit einem heftigenKnall zu und legte beide Arme darüber, als befürchtete er, Zelda könne ihm dieses Buch entreißen.
»Wir machen keine Geschäfte dieser Art«, bestellte er ihr barsch. »Und Passagiere nehmen wir auch nicht an Bord. Sucht Euch einen anderen Eigner.«
Zelda ging ein Stück näher und sah dem Mann direkt in die Augen: »Nehmt Ihr nur mich nicht als Passagier, oder gilt diese Regelung allgemein?«, fragte sie.
Der Mann zuckte mit den Achseln. »Das geht Euch nichts an. Verschwindet von hier.«
Er wedelte mit den Armen, als wollte er Fliegen verscheuchen. Zelda sah sich noch einmal in aller Ruhe um, dann schlenderte sie aus dem Speicher, als hätte sie gerade eine gemütliche Plauderei
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