Ufer von Morgen
Mr. Kennedy, noch etwas zu dem sagen, was eben vorgetragen wurde?
Mr. Kennedy: Als Privatbürger möchte ich sagen, daß ich die Vorstellungen der Pantropie reichlich widerwärtig finde. Als Leiter der US-Delegation dieser Kommission möchte ich sagen, daß wir volles Vertrauen in die Verläßlichkeit dessen haben, was Mr. Reed von den Leuten, die die Terraformierung vorbereiten, gesagt hat. Wir werden ihn hundertprozentig unterstützen.
- Auszug aus einer Aufzeichnung der Voruntersuchung durch die Vereinten Nationen, Kommission für die Kolonisierung von Planeten, 16. März 2052.
Die Büroräume des Lobbyisten Michael Reed erstrecken sich über sechs Stockwerke eines Wolkenkratzers in Nyack, am äußersten nördlichen Rand des Großraums von New York. Dane Merrill hatte eine Woche vergeblich versucht, ein Treffen mit Reed in die Wege zu leiten. Schließlich hatte er in seiner Verzweiflung den Namen des Generalsekretärs St. Leger ins Spiel gebracht, und man hatte ihm zähneknirschend eine halbe Stunde am Morgen des 17. März zugestanden.
Er verließ sein Apartement um halb acht Uhr morgens, nahm einen Expreß der U-Bahn und war um zehn Uhr am Ziel. Die Empfangsdame sagte: »Wen möchten Sie sprechen, Sir?«
»Mr. Reed. Ich bin angemeldet. Ich heiße Merrill, Dane Merrill vom Sekretariat der Vereinten Nationen.«
»Setzen Sie sich bitte, Mr. Merrill. Einen Augenblick.«
Dann führte man ihn durch ein Gewirr von Gängen ins Büro des Chefs.
Reed war ein gewaltiger, kahlköpfiger, rosiger Mann Mitte Sechzig, mit kräftigen Backen und tiefliegenden braunen Augen. Er hatte kein offizielles Amt, war jedoch einer der einflußreichsten Menschen der westlichen Welt. Er hatte Verbindungen zu einem Dutzend Konzernen, die schwer verdienen würden, wenn der Plan einer Terraformierung des Mars angenommen wurde.
Merrill vergeudete keine Zeit mit Formalitäten. »Ich bin persönlicher Mitarbeiter des Generalsekretärs St. Leger, Mr. Reed. Wie Sie wissen, ist es meine Aufgabe, das Programm der Vereinten Nationen zur Kolonisierung der Planeten voranzutreiben. Ich bin heute hier, um zu hören, was Sie von einem Kompromiß halten.«
»Was für ein Kompromiß?« knurrte Reed. »Ich sehe keine Möglichkeit für einen Kompromiß.«
»Sie setzen alles auf die Karte der Terraformierung. Dazu brauchen Sie jedoch die Stimmen von siebzig Ländern, bei einer Gesamtheit von hundertfünf. Mindestens zweiunddreißig Nationen werden sicher gegen Sie stimmen. Unterstützt werden Sie eigentlich nur von neununddreißig Ländern. Glauben Sie wirklich, daß Sie einunddreißig der vierunddreißig neutralen Länder auf Ihre Seite ziehen können?«
»Sind Sie hergekommen, um mir nur diese Frage zu stellen?«
»Ich kam her, um Ihnen zu sagen, daß so, wie die Dinge liegen, weder der westliche Block noch die Asiaten hoffen können, in der Vollversammlung die einfache Mehrheit, geschweige denn die Zweidrittelmehrheit, erzielen zu können. Wir sind also am toten Punkt.«
»Das weiß ich. Was soll ich tun? Alles abblasen und den Chinesen freie Bahn lassen?«
»Nicht freie Bahn, Mr. Reed. Nur den Mars.«
»Ich soll also nachgeben, meinen Sie?«
»Sie können den toten Punkt überwinden helfen, Mr. Reed. Überlassen Sie den Mars den Pantropisten. Vielleicht können wir eine inoffizielle Vereinbarung treffen, daß den Terraformern der nächste Planet gehört.«
»Es gibt keinen nächsten Planeten. Im Augenblick ist der Mars der einzige im Sonnensystem, den wir umwandeln können.«
Merrill runzelte die Stirn. »Vielleicht können Sie Ihr Budget reduzieren?«
»Unmöglich«, entgegnete Reed finster. »Ich habe der Kommission am Montag mitgeteilt, daß mein Budget das absolute Minimum darstellt. Wenn neunzig Milliarden bereitgestellt werden, brauchen wir hundert Jahre, bis wir den Mars terraformiert haben.«
»Lieber in hundert Jahren als nie.«
»Nein. Wir geben nicht nach. Das würde doch heißen, daß diese Ausländer widerliche Zerrbilder der menschlichen Form schaffen würden, Merrill. Und –«
»Einen Augenblick«, unterbrach ihn Merrill. »Was ist Ihnen wichtiger, die Planeten zu terraformieren oder weiteren Forschungen auf dem Gebiet der Pantropie den Riegel vorzuschieben?«
»Die Frage kommt mir unangebracht vor.«
»Mir erscheint sie wichtig.«
»Meine Privatansichten stehen nicht zur Debatte«, knurrte Reed. Er beugte sich vor und unterstrich jeden seiner Punkte mit einem Klopfen der Hand. »Erstens: Es ist wirtschaftlich
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