Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Uferwald

Titel: Uferwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
Vom Netzwerk:
nicht gelegen haben«, bemerkte seine Frau.
    »Du bist dann als Dritte gewählt worden«, fuhr Matthes fort und blickte Isolde an, von der aber keine Reaktion kam. »Demnach muss Luzie die vierte gewesen sein, bevor der versammelte Stammtisch-Souverän beschloss, als Fünften mich für das nächste Jahr einzuladen, 5:2 in der Stichwahl gegen Czybilla, ich habe die ehrenvolle Wahl angenommen und für das Vertrauen gedankt... Muss ich diese Farce eigentlich bis zum Ende vortragen?« Er schaute Kuttler an und dann Luzie.
    »Dem dicken Bilch nicht einmal den fünften Platz gönnen«, sagte Czybilla, »sondern ihn in der Stichwahl rauskegeln – so macht man Karriere. Immer auf einen armen alten Teufel los...«
    »Und weiter?«, fragte Kuttler.
    »Bis dahin war das Ganze wirklich nicht mehr als ein Spiel gewesen«, sagte Matthes, »ein albernes Spiel, und überhaupt nicht spannend, aber plötzlich waren nur noch Tilman übrig und eben Manfred Czybilla. Ich weiß noch, dass der Bilch plötzlich ganz merkwürdig einsilbig geworden ist. Das ist sonst nicht seine Art, wie Sie bemerkt haben werden. Es war, als habe er begriffen, dass es jetzt ernst für ihn wird, wenn er jetzt durchfällt, ist er draußen, rausgekegelt, im nächsten Jahr wirklich nicht mehr eingeladen...«
    »Willst du im Landtag auch so herumlügen?«, fragte Czybilla freundlich.
    »Mich würde interessieren, wie sich Tilman verhalten hat«, fragte Kuttler.
    Luzie drehte sich zu ihm um. »Sie sollten den Stuhl etwas zurückschieben, so als gehörten Sie nicht richtig zu uns. Das war seine Haltung. Ich glaube, er hat es wirklich darauf angelegt.«
    »Worauf angelegt?«
    »Dass die Clique ihn rauswirft.«
    »Und hat niemand gesagt«, fragte Kuttler und schob den Stuhl zurück, »dass man das jetzt abbrechen und bleiben lassen soll?«
    »Ich hab mir vor dieser letzten Runde einen Augenblick lang so etwas überlegt«, antwortete Matthes. »Aber ich glaube, das wäre fast noch schlimmer gewesen.«
    »Na gut«, meinte Kuttler. »Aber diesmal will ich jetzt wirk‑
    lich hören, wie es abgelaufen ist. Kriegen Sie das hin?« Puck stand auf und ging ein oder zwei Schritte zur Seite. »Warum gehst du weg?«, fragte Isolde.
    »Weil ich nicht bei euch gesessen bin. Ich hab bedient.«
     
    D iesmal keine Bonbonniere. Neonlicht. Die Inneneinrichtung knapp überm Standard der Beruhigungszelle. 1 Tisch. 2 Stühle. Mehr braucht es nicht.
    Alexander Keull betrachtete Tamar mit einem Blick, den sie sofort erkannte. Es war der Blick, der nach der verborgenen Schwachstelle sucht, der Stelle, die schmerzt und die verwundbar ist. Zugleich aber wirkte Keull angespannt und strömte den unangenehmen Geruch eines Mannes aus, der erregt ist und der Angst hat. Das schwarze krause Haar mit den grauen Strähnen war verschwitzt. Doch die Betäubung, die von ihm Besitz ergriffen hatte, als Desarts ihn festnehmen ließ, schien abgeklungen.
    »Ich weiß nicht, warum«, sagte er, »aber ich weiß, dass Sie mich nicht mögen. Wahrscheinlich bin ich Ihnen zuwider. Bei manchen Frauen passiert mir das.«
    »Sie haben mich sprechen wollen«, erinnerte ihn Tamar.
    »Merkwürdig, nicht?« Keull schien auf eine Reaktion zu warten. Es kam keine. »Aber mein Anwalt kann nur mit seinen Talarärmeln fuchteln, und bei dieser Bonbontüte von einem Staatsanwalt drehe ich hohl. Da habe ich mir gedacht, bei Ihnen geht es vielleicht besser. Wenn es klar ist, dass man sich nicht leiden kann, redet es sich vielleicht leichter.«
    »Dann reden Sie.«
    Keull betrachtete sie noch einmal mit diesem forschenden, fast abtastenden Blick. Dann zuckte er die Achseln. »Sie haben meine Skulptur beschlagnahmt und lassen sie untersuchen. Ich könnte mich darüber aufregen, aber ich will es nicht.« Er beugte sich vor und sah ihr in die Augen. »Natürlich sind das Teile von einem Unfallwagen. Und wenn damit ein Radfahrer von der Straße gerammt worden ist, dann können da durchaus Spuren von dem Schutzblech drauf sein oder von welchem Teil des Fahrrades auch immer... Ich bin sogar sicher, dass Ihre Experten etwas finden werden, das gehört sogar zu meiner Idee, dass da etwas zu finden sein muss...«
    Das müsse er ihr erklären, sagte Tamar.
    »Diese Skulptur heißt Traumtänzer«, sagte Keull. »Haben Siesich mal überlegt, warum die so heißt? Wer träumt hier welchen Traum? Na ja, Sie halten das alles sowieso für Blech und kunstloses Zeug.«
    Tamar schüttelte den Kopf. »Ich bin hier, um Ihnen zuzuhören.«
    Keull sah

Weitere Kostenlose Bücher