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Uferwald

Titel: Uferwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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saßen.
    Inzwischen war der letzte freie Stellplatz vor dem Hochhaus belegt. Aber die Signalanlage der Tiefgarage, die für Besucher der Bank und der im Hochhaus untergebrachten Arztpraxen geöffnet war, zeigte freie Parkplätze an. Er steuerte den Wagen hinunter, ohne dass die Bodenplatte aufsetzte, und fand tatsächlich einen freien Stellplatz. Ein Aufzug brachte ihn in die Schalterhalle der Bankfiliale.
    Schalterhalle ist ein wenig übertrieben, dachte er oben. Es gab einen mit Tresen und Glas abgetrennten Kassenraum und daneben die Automaten für die Geldausgabe und den Ausdruck von Kontoauszügen. Im Kassenraum unterhielten sich zwei Frauen, aber an den drei mit Computern bestückten Schreibtischenaußerhalb des Kassenraums saß im Augenblick niemand. Kuttler sah sich um, eine der beiden Frauen wurde auf ihn aufmerksam und verließ den Kassenraum und kam auf ihn zu. Sie war brünett und trug einen kurzen Rock und einen knapp sitzenden dünnen Pullover. Ob sie ihm behilflich sein könne?
    Er hätte gerne mit Herrn Czybilla gesprochen, sagte Kuttler, er sei mit ihm für heute Nachmittag verabredet. Angerufen hatte er am Vormittag, nach dem Besuch bei Dannecker, und Czybilla schien weder überrascht zu sein noch irgendwie ablehnend. »Kommen Sie nur«, hatte er gesagt.
    »Er hat leider gerade eine Besprechung«, sagte die Brünette. »Es dauert sicher nicht mehr lange. Wenn Sie so lange warten wollen?«
     
    H arald Treutlein steuerte den Volvo im Schritttempo die Rosenau hinab. Vor und hinter ihm liefen Eltern mit ihren Kindern oder andere Nachbarn, rechts vorne zum Beispiel der Mann mit dem Hund, der keine Polizisten leiden konnte. Neben Treutlein saß Kevin, und ausnahmsweise schien er nicht weiter beschädigt zu sein, jedenfalls hatte er keine Platzwunde davongetragen, nicht einmal eine Aufschürfung. Aber er sah ein bisschen verheult aus, und so hatte Treutlein ihm erlaubt, mit in den Volvo zu steigen.
    »Das ist die mobile Kommandozentrale, weißt du«, hatte er gesagt und lieber nicht darauf geachtet, was Johannes für ein Gesicht machte. »Du und ich, wir sind jetzt dafür verantwortlich, dass alles richtig läuft.«
    Von dem Vater der Zwillinge aus dem Maienweg hatte er eine Lautsprecheranlage bekommen, die jetzt auf dem Dach zwischen den Gepäckträgern montiert war. Er nahm das Mikrophon und begann seine Durchsage, die er noch in der Nacht immer wieder geübt hatte:
    »Bürgerinnen und Bürger im Eschental und an der Rosenau! Heute gehört die Straße Ihnen, nutzen Sie dieses Recht! ZeigenSie den Verantwortlichen und den Planern in dieser Stadt, dass Sie das Volk sind. Dass Sie für den Schutz und Erhalt Ihres Wohngebietes und Ihrer Nachbarschaft kämpfen werden... Wir alle sind Nachbarn, die einander vertrauen dürfen, die sich aufeinander verlassen können, und das ist gut so ... Johannes, bitte nicht das blonde Mädchen an den Haaren ziehen!«
     
    D as dauert«, sagte Brötchen.
    »Alles noch im grünen Bereich«, antwortete Wanja. »Gleich muss ein Platz frei werden. Oder willst du vielleicht, dass ich in der Tiefgarage warte?«
    Brötchen ließ die Seitenscheibe herunter und spuckte auf die Straße. »Scheiße«, sagte er dann.
    Wanja holte aus seiner Lederjacke einen Flachmann hervor und reichte ihn zum Beifahrersitz hinüber. »Trink einen Schluck. Aber nur einen.«
    Brötchen nahm den Flachmann und trank.
    »Nicht alles.«
    Brötchen setzte den Flachmann ab und reichte ihn zurück. Vorne kam eine Frau mit ondulierten blonden Haaren und einem Pelzmantel über den kleinen Platz vor dem Hochhaus und ließ die Türverriegelung eines metallic-blauen Benz aufschnappen, der – in Fahrtrichtung gesehen – auf dem hintersten der Stellplätze stand.
    »Na also«, meinte Wanja und startete den Toyota. »Genau richtig.«
    »Es ist eine Frau«, sagte Brötchen.
    Die Frau hatte sich hinters Steuer gesetzt, und man sah, wie der Kopf mit den ondulierten blonden Haaren sich hin und her bewegte, sich über den Beifahrersitz beugte, wie die Sonnenblende heruntergeklappt wurde: ein prüfender Blick aufs Makeup?
    »Ich hab dir doch gesagt: eine Frau!«
    Die Sonnenblende wurde zurückgestellt, der Kopf wandtesich zur Seite und beugte sich wieder über etwas, das man von draußen nicht sah.
    »Sie sucht den Schlüssel«, sagte Brötchen.
    »Unsinn«, antwortete Wanja. »Sie hat ja schon aufgeschlossen.«
    Brötchen dachte nach. »Ich hab’s«, sagte er schließlich. »Sie sucht ihre Brille... da!« Durch das

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