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Uferwechsel

Uferwechsel

Titel: Uferwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Mann
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sein«, bemerkte sie eifrig, während sie sich einen Stuhl heranzog und sich mir gegenüber hinsetzte.
    »Manchmal«, erwiderte ich. »Meist sitze ich stundenlang in meinem Auto und warte darauf, dass irgendetwas geschieht. Dass ein arbeitsunfähiger Versicherungsbetrüger das Dach seines Gartenhäuschens deckt oder Fußball spielt. Oder eine untreue Ehefrau sich mit ihrem Geliebten kurz am Hotelfenster zeigt. Das hat wenig mit den aufregenden Abenteuern der Fernsehdetektive zu tun, leider. Und die Aufträge sind meist auch nicht nach exakt neunzig Minuten gelöst. Aber ich kann nicht klagen, hin und wieder gerate ich an einen wirklich spannenden Fall. Das entschädigt mich dann für all die langweiligen Observationen.«
    »Sind Sie jetzt gerade an etwas Aufregendem dran?« Silvia Schmied hatte mir aufmerksam zugehört und dabei langsam in ihrer Kaffeetasse gerührt. Trotz der frühen Stunde hatte sie mir nicht eine Sekunde lang das Gefühl gegeben, zu stören. Sie hatte im Morgenrock in der Küche gestanden und das Frühstück vorbereitet, als ich, der spontanen Einladung folgend, gemeinsam mit Erwin Schmied das bescheidene Einfamilienhäuschen betreten hatte, das direkt an der Landstraße nah der Lichtung stand. Mit einer gemurmelten Entschuldigung hatte sie sich unverzüglich nach oben begeben, um sich anzuziehen.
    »Es macht den Anschein, obwohl ich noch nicht ganz durchblicke«, beantwortete ich ihre Frage ehrlich.
    »Es betrifft aber den Toten, den mein Mann vorgestern gefunden hat?«
    Ich bestätigte dies.
    Silvia Schmied nickte nachdenklich. »Wenn ich Ihnen irgendwie behilflich sein kann …«
    »Versuchen Sie, sich daran zu erinnern: War vorgestern Morgen alles wie sonst? Oder ist Ihnen etwas Außergewöhnliches aufgefallen?«
    Frau Schmied fuhr sich durch ihr langes, ergrautes Haar, das sie auf der Höhe der Schultern zu einem losen Zopf gebunden hatte. Sie trug einen grobmaschigen Wollpullover mit V-Ausschnitt, unter dem eine weiße Bluse zu erkennen war, dazu beige Manchesterjeans.
    »Ich weiß nicht … Aber ich glaube, alles war wie immer. Nicht wahr, Vati?«
    Fragend blickte sie zu ihrem Gatten, der gerade die Treppe herunterkam. Offensichtlich hatte er sich rasiert, seine Wangen glühten, als hätte er ein paar Ohrfeigen erhalten, die Küche war bald erfüllt vom scharfen Geruch seines Aftershaves.
    »Alles wie immer, außer dass ein Toter auf der Lichtung lag«, brummte er und schenkte sich an der Anrichte Kaffee ein, bevor er sich zu uns setzte. »Aber das habe ich Herrn Kumar bereits gesagt.«
    »Sind Sie eigentlich Inder?« Interessiert beugte sich Silvia Schmied vor. »Wir waren nämlich ein paar Mal in Indien, früher – als der Erwin noch am Flughafen gearbeitet hat. Nicht wahr, Vati?«
    Erwin Schmied brummte zustimmend. »Rajastan, Goa, die Backwaters im Süden, haben wir alles gesehen. Delhi, das rote Fort, Bombay natürlich auch, wobei das jetzt Mumbai heißt. Aber unsere nationale Fluggesellschaft nennt sich ja auch anders als früher. Alles verändert sich und bleibt im Grunde genommen doch beim Alten.«
    »Aber Sie wollten uns ein paar Fragen stellen«, erinnerte mich Silvia Schmied.
    »Richtig. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, wüsste ich gern, was Sie am Donnerstagmorgen getan haben. Schritt für Schritt.«
    Unschlüssig sah Silvia Schmied ihren Mann an, bis der ihr mit einem stummen Nicken sein Einverständnis gab. Daraufhin begann sie zu rekapitulieren: »Wir standen früh auf, früher als sonst …«
    »Der Wetterbericht hat den Schneesturm vorausgesagt«, fiel Erwin Schmied seiner Frau ins Wort. »Und ich wollte mit dem Hund raus, bevor es losging. Also stellte ich den Wecker auf fünf. Doch dann musste ich ja trotzdem stundenlang im Gestöber ausharren, bis sich dieser affige Staatsanwalt alles angeguckt hatte und die Polizei endlich meine Aussage zu Protokoll nehmen konnte. Ich wäre besser liegen geblieben.«
    »Dann hätte man den Toten vielleicht erst im Frühjahr bei der Schneeschmelze gefunden«, warf seine Frau ein. »Die Polizei hat doch nur ihre Arbeit getan.«
    »Und ich wäre fast erfroren dabei.«
    Silvia Schmied überging den Einwand ihres Gatten. »Auf jeden Fall schlüpfte ich in den Morgenrock und kam nach unten, um Kaffee aufzusetzen, während sich Vati anzog …«
    »Haben Sie von draußen etwas gehört? Ein ungewöhnliches Geräusch vielleicht?«, unterbrach ich sie. Falls Said nicht dort getötet worden war, musste ihn jemand zur Lichtung gebracht haben. Schmied

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