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Uferwechsel

Uferwechsel

Titel: Uferwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Mann
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Letzteren oft deckungsgleich waren –, für die Bekämpfung von Andersfühlenden engagierten. Hungersnöte, Klimaerwärmung, Atomkatastrophen – im Vergleich alles Kinkerlitzchen, Lappalien!
    Mussten wirklich alle Menschen gleich sein? Was hatte denn die viel zitierte Gesellschaft davon? Lebte sie nicht gerade von der Vielfalt und den Unterschieden ihrer Mit glieder, die so immer wieder neue Impulse lieferten und nicht nur die menschliche, sondern auch die kulturelle, technische, wissenschaftliche und jede andere Entwicklung vorwärtsbrachten? Wohin es führte, wenn ganze Völker gezwungen wurden, gleich zu denken, hatte die Weltgeschichte ja auf beängstigende Art gezeigt.
    Immer noch auf eine Antwort wartend, taxierte ich Bob kühl.
    »Natürlich gibt es einige wenige Aussteiger«, wand er sich, nachdem er sich etwas beruhigt hatte. »Doch Gott steht uns auch im Scheitern bei. In seinem Haus gibt es keine verschlossenen Türen.«
    Ich knurrte gereizt. »Erst letzthin hat Ihr Vizepräsident die Organisation verlassen …« Bei meiner Recherche hatte ich die kleine Zeitungsnotiz per Zufall entdeckt.
    »Er war für uns untragbar geworden. Aber schon bald wird er seinen Irrtum einsehen …«
    »Er distanziert sich von der Organisation!«
    »Gott vergisst ihn nicht. Er wird seine reumütigen Gebete erhören und ihn mit offenen Armen empfangen.«
    Draußen musste ich erst mal tief durchatmen und ein paar Schritte gehen, bis meine Wut verraucht war. All meine Einwände waren an Bobs perfekter Fassade abgeperlt, auf jede kritische Frage hatte er eine schwülstige Antwort parat gehabt. Diese Art von selbstgerechter Arroganz brachte mich zur Weißglut.
    Ebenso die Tatsache, dass er mich völlig ungerührt hatte auflaufen lassen. Ich hatte rein gar nichts über die beiden Toten herausgefunden. Wenigstens wusste ich nun, dass sich Sanduhr darauf spezialisiert hatte, Homosexuelle zu Heteros ›umzupolen‹, auch wenn Bob allergisch auf den Begriff reagiert hatte.
    Mein Telefon meldete einen eingehenden Anruf von Miranda, doch ich war noch zu aufgebracht, um ihn entgegenzunehmen. Stattdessen befreite ich meinen Käfer vom frisch gefallenen Schnee, bevor ich einstieg und mich in den Sitz zurücksinken ließ, um nachzudenken. Ich wünschte, ich hätte etwas Whisky zur Unterstützung dabeigehabt, aber zur Not musste es ausnahmsweise auch mal ohne gehen. Ich faltete die Broschüre auseinander, die ich mir bei meinem Abgang aus Bobs Büro geschnappt hatte. Tatsächlich hatte er zum Teil wortwörtlich aus dem Text zitiert, der dem klebrigen Pathos nach ohnehin von ihm selbst stammte. Auf der Rückseite des Faltblattes fanden sich ein paar stimmige Naturbilder und wieder diese beseelten Männer in der Wildnis, daneben waren die Kontaktdaten des Teams aufgelistet. Erstaunt stellte ich fest, dass der geschasste Vizepräsident immer noch aufgeführt war.
    Beat hieß der Ehemalige, auf Nachnamen verzichtete die Organisation. Wahrscheinlich um bei den jungen Männern, die zu den potenziellen Neukunden gehörten, einen vertrauenerweckenden und kumpelhaften Eindruck zu machen. Ey Bob, du Missgeburt, was geht, Alter? Beam mich doch schnell zum Heti! Wär voll fett, echt jetzt!
    Ich konnte mir aber auch vorstellen, dass diese Maßnahme zusammen mit dem Fehlen jeglicher Fotos der Mitarbeiter zum Schutz vor Opfern misslungener Behandlungen und deren wütenden Angehörigen diente.
    Ohne lange zu überlegen, klaubte ich mein Telefon aus der Hosentasche und wählte die Handynummer, die neben Beats Namen stand. Zu meiner Überraschung ging er sofort ran.
    »Ich möchte damit nicht mehr in Verbindung gebracht werden«, sagte er bestimmt, nachdem ich ihm erklärt hatte, wer ich war und weshalb ich anrief.
    »Nur verständlich. Aber zwei junge Männer sind tot und die Spur führt direkt zu Sanduhr . Es besteht der berechtigte Verdacht, dass sich die beiden umgebracht haben. Vielleicht haben Sie einen der beiden gekannt. Kevin Steiner? Sagt Ihnen der Name etwas?«
    Beat überlegte und verneinte dann vorsichtig. »Aber ich bin ja auch schon ein paar Monate weg. Ich kann aber bestätigen, dass sich schon früher junge Männer nach oder während einer Behandlung bei Sanduhr umgebracht haben, ohne dass die Organisation deswegen belangt werden konnte.«
    Ich wurde hellhörig. »Deswegen möchte ich unbedingt mehr über deren Therapiemethoden wissen. Und Sie sind jemand, der den Betrieb von innen kennt.«
    Beat lachte bitter. »Das kann man wohl sagen. Fünf

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