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Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)

Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)

Titel: Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Kienzle
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Schwaben.
    Das stimmt nicht ganz. Ich bin eigentlich immer gnädig mit ihnen umgegangen. Mit Bulgarien ist es scharf, das stimmt. Aber die Schwaben kommen immer ganz gut weg.
    Sie beschreiben in Ihrem Roman »Montgomery« das Schwäbische als »fest verbackenen schwäbischen Filz«.
    Dabei geht es um die Nazivergangenheit. Das hätte in jedem deutschen Landstrich so ausgesehen.
    Wie Sie das Thema »Jud Süß« in »Montgomery« verarbeiten, ein Thema, das hier schwer anzugehen ist, ist sehr geschickt.
    Dafür gibt es übrigens einen interessanten Auslöser: Nicht weit von uns gab es ein großes Grundstück mit einer kleineren Villa. Dort gab es ein schmiedeeisernes Gitter. Das ist das Gitter vom Galgen, an dem Süß erhängt wurde. Kurios, dass sich das erhalten hat. Als Parkgitter.
    Eine sehr schwäbische Geschichte? 3
    Die »Jud Süß«-Geschichte ist schon sehr blamabel für unser Stuttgart. Als der unbeliebte Fürst gestorben war, hat sich das Volk ein Ersatzopfer geholt.
    Ein Kritiker hat geschrieben: »›Montgomery‹ bewegt sich in Rom, aber es endet immer wieder in Stuttgart-Degerloch.«
    Ich gehe in meinen Büchern ganz gerne von etwas Sicherem aus – und das ist das Schwabenland. Ich kenne die Charaktere gut. Ich kenne sie über mehrere Generationen, weil ich in einer großen Familie aufgewachsen bin. Ich habe da sicheres, verlässliches Stoff-Futter. Man kann eigentlich nur darüber schreiben, worin man sich auskennt. Und es dann in eine andere Welt tragen. Aber die Probierlust ist schon groß – ich gehe immer auch sehr schnell weg davon. Überhöhung, das Woandershin-damit, erfundene Charaktere …
    In »Montgomery« rechnen Sie auch mit dem schwäbischen Statussymbol ab. Ich zitiere: »Wie alle Schwaben aus besserem Haus war er mit einem Mercedes groß geworden, der dem Großvater gehört hatte. Speiübel war ihm jedes Mal geworden auf der Neuen Weinsteige hinab in die Stadt. Er hasste diesen gepanzerten Käfig mit den starren Polstern, hasste ihn bis heute in sämtlichen Modellen.«
    In unserer Familie war die Abscheu vor dem Daimler einfach groß. Mein Vater hätte nie im Leben einen Mercedes gekauft. Ein Mercedes – das war für ihn das Letzte. Er ist einen großen Citroën gefahren.
    Warum?
    Der Vater war ein Snob – soweit man zu einem Bulgaren Snob sagen kann. Er hat seine Anzüge in Paris gekauft. Er war frankophil – und wollte sich auch absetzen.
    Völlig unschwäbisch.
    Völlig unschwäbisch! Die schwäbische Familie hat auf das Geld aufgepasst – und war trotzdem sehr großzügig. Und der Vater hat es rausgeworfen. Nach seinem Tod war nichts mehr übrig – obwohl er sehr, sehr gut verdient hatte. In den 60er-Jahren war er ja selbstständiger Arzt mit Klinikanbindung.
    Das spricht für Ihren Vater!
    Vieles spricht nicht für ihn!
    Er konnte genießen und ohne schlechtes Gewissen Geld ausgeben!
    Das unbedingt! Aber auch das wurde von den Schwaben in der Familie nicht inkriminierend aufgenommen. Im Gegenteil. Oft ist er nach der Arbeit in die Markthalle gegangen und hat riesig eingekauft. Die Großmutter war begeistert, weil er vom Einkaufen etwas verstanden hat. Diese tollen Spezereien, die er mitgebracht hat, haben sie gemeinsam ausgebreitet und sich darübergebeugt. Und dann haben sie überlegt, was sie daraus machen und wen sie einladen könnten. Ein sehr gastfreundliches Haus.
    Sie vermitteln mir ein völlig neues Bild eines pietistischen Haushalts. Eigentlich heißt es in einem solchen Fall doch: »Des duat mer ned, des g’hört sich ned!« 4
    Meine Großmutter war anders: Sie liebte ihn. Sie hat sogar angefangen, bulgarisch für ihn zu kochen, sie wollte es ihm recht machen. Sie war auch neugierig. Beide hatten Interesse am guten Essen und daran, wie man es zubereitet. Oft haben die beiden in der Küche die Köpfe zusammengesteckt – diese Großmutter war halt ein zutiefst freundlicher Mensch, ganz herzlich!
    Sie sind in einem schwäbisch-bulgarischen Haushalt aufgewachsen. Jetzt in der Eurokrise, die ja auch eine Europakrise ist: Was können die Schwaben von den Bulgaren lernen?
    Von den Bulgaren? Um Gottes Willen – gar nichts! Eine abstruse Idee!
(Sie lacht.)
    Lebensfreude?
    Na ja, die ist in Bulgarien sehr vergällt mit Korruption und der Unfähigkeit, zu wirtschaften.
    Das schreiben Sie in »Apostoloff«.
    Das, was ich da geschrieben habe, ist noch harmlos. Da könnte man noch mehr die »schwingende Faust« draufhalten.
    Griechen, Italiener und auch Spanier sagen uns

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