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Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)

Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)

Titel: Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Kienzle
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versteckt, Hinweise, dass der Verein fünfmal Deutscher Fußballmeister und dreimal Pokalsieger war. Fast verschämt, fast so als würde man sich wegen der ehemaligen Erfolge genieren. Eine Nachbildung des »Potts« und die Meisterschale stehen in einer Vitrine. Diese Zurückhaltung hat sympathische Züge – wirkt aber im Bundesligazirkus fast exotisch. Schwäbische Bescheidenheit oder einfach Knausrigkeit? Das ist schwer auszumachen. Der VfB ist ein merkwürdiger Verein. Während andere Stuttgarter Marken wie Mercedes, Porsche und Bosch Weltruf genießen, wirkt der VfB provinziell. 1963 war er Gründungsmitglied der Bundesliga – und blieb behäbig traditionell. Während andere Vereine schon in den 60er-Jahren professionelle Strukturen aufbauten, setzte man in Stuttgart aufs Sparen und Bewahren.
    Es ist irritierend: Gelten die Schwaben doch als Musterbeispiel für Beständigkeit – ihr Vorzeigeklub steht für das genaue Gegenteil. Seit Jahrzehnten geht es auf und ab, wie auf einer Achterbahn. Es gab Jahre, da wurde das »Magische Dreieck« begeistert gefeiert, in anderen dümpelte der Verein in der Abstiegszone. Mal machen die »Jungen Wilden« Furore, oft mosern die Fans über Standfußball. Im Herbst 2012 rastete deshalb der Trainer Bruno Labbadia aus und zitierte seinen hessischen Landsmann, den Dichter des »Götz von Berlichingen«: »Am Arsch geleckt!«
    Seit 2010 ist Fredi Bobic Sportdirektor beim VfB. Kein einfacher Job. Wieder einmal muss ein Sparprogramm durchgezogen werden. Der junge Manager hat schon in der Jugend für den VfB gespielt. 1994 begann er hier seine erfolgreiche internationale Fußballerkarriere – Torschützenkönig, Pokalsieger, Europameister. Bobic ist im Stuttgarter Stadtteil Hallschlag aufgewachsen. Über 41 Prozent der Menschen dort sind Ausländer – und auch beim VfB stehen heute Spieler aus 15 Nationen auf dem Platz. Multikulti sei tot, hat Angela Merkel 2010 verkündet. Auf dem Fußballplatz gilt das offensichtlich nicht.
    HERR BOBIC, im Reporterjargon sind die Stuttgarter einfach »die Schwaben«. Wenn ich mir den VfB aber angucke: Der Manager heißt Bobic, der Trainer heißt Labbadia, der Mittelstürmer Vedad Ibišević, der Abwehrchef Serdar Taşçi, ein Ivorer spielt mit, zwei Japaner und sogar Österreicher. Ist das noch ein schwäbischer Verein?
    Natürlich – von den Tugenden her auf jeden Fall. Und Stuttgart ist natürlich längst auch multikulti – Serdar Taşçi zum Beispiel ist in Stuttgart geboren. Ich bin hier aufgewachsen. Der Schwabe heute ist anders als der vor 100 Jahren.
    Dass Sie Schwabe sind – war das für Sie auch als Junge keine Frage?
    Ich habe mir damals schon die Frage gestellt: Was bin ich? Bin ich Deutscher oder bin ich Jugoslawe?
    Ihre Antwort?
    Damals war ich Jugoslawe.
    Welche Sprache haben Sie gesprochen?
    Ich habe mit meinen Eltern deutsch geredet – und sie mit mir in ihrer Muttersprache.
    Ihr Vater ist Slowene, Ihre Mutter Kroatin – sind diese beiden Sprachen so verwandt, dass man sich versteht?
    Die sind schon sehr ähnlich. Und das Interessante war: So habe ich ihnen Deutsch beigebracht und sie mir ihre Sprachen.
    Haben Sie mit ihnen damals deutsch oder schwäbisch geredet?
    (Er lacht.)
Eigentlich mehr schwäbisch, Sie haben recht. Wenn ich mich an mein erstes Interview erinnere, das ich mal dem Fernsehen gegeben habe! Das habe ich immer noch im Kopf. Das war in Degerloch oben, als ich noch bei den Kickers gespielt habe in der Zweiten Liga. Da rede ich so breit schwäbisch, dass ich mich heute selber kaputtlache darüber. Aber so habe ich früher geredet: breitestes Schwäbisch.
    Deshalb haben die Fans Sie auch nicht als Ausländer wahrgenommen?
    Sie wussten ja, woher ich komme, dass ich hier groß geworden bin und mich auch absolut mit der Stadt identifiziere.
    Aber auf dem Bolzplatz waren Sie der Jugoslawe?
    Auf dem Bolzplatz habe ich für die jugoslawische Nationalmannschaft gespielt.
(Er lacht.)
Ich bin auf dem Hallschlag oben aufgewachsen. Der Ausländeranteil war da hoch.
    Stuttgart hat einen außergewöhnlich hohen Ausländeranteil.
    Deshalb haben wir da auch Länderspiele gemacht auf den Bolzplätzen. Unter den Jungs war ich »der Jugo«, ein anderer war »der Italiener« und das war »der Deutsche« – das war ganz normal.
    Multikulti – schon damals?
    Natürlich.
    Haben Sie da mal eins auf die Nase gekriegt?
    Natürlich auch mal! Aber dadurch, dass ich immer gut Fußball spielen konnte, haben mich meine Jungs sehr gut

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