Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)
Begriffen verwendet. Man spricht ja nicht von der »sächsischen Hausfrau« oder der »hessischen Hausfrau«. Warum gerade die »schwäbische Hausfrau«?
Ich vermute, dass dieser Ausdruck keineswegs überall nur als Hochachtung vor Solidität, Nachhaltigkeit und Sparsamkeit verstanden wird. »Schwäbische Hausfrau« – das soll in den Köpfen außerhalb Schwabens auch das Bild von einer gewissen Engstirnigkeit und geistigen Beschränktheit hervorrufen. Ich vermute, dass da auch eine Quantum an Gender-Verachtung 6 drinsteckt, die Frauen in der Politik auch heute noch zugemutet wird. Selbst Frau Merkel hat die schon zu spüren bekommen.
Erhard Eppler hat den Erfolg der Grünen in Baden-Württemberg damit erklärt, dass es ihnen gelungen ist, die Struktur- und die Wertkonservativen auseinanderzudividieren. Eine gute Erklärung?
Ich finde das auch. Erhard Eppler hat genau das 1976 schon versucht, aber damals klappte das noch nicht.
Er hat auch gesagt, dass es die Grünen heute nicht geben würde, wenn sich seine Politik in der SPD durchgesetzt hätte.
Das ist richtig. Die Grünen nicht, wahrscheinlich auch die Linke nicht und auch die Piraten nicht! Viele aus meiner Generation hat seine Art, Politik zu machen, hat die Diskussion um Werte und ihre Durchsetzung in unserer sich ständig ändernden Welt sehr angezogen und inhaltlich verpflichtet.
Aber er hatte nie das Volkstümliche.
Eppler hat sicher überhaupt nichts »Tümliches« – im Unterschied zu Kretschmann. Ich fand z. B. dessen Pressekonferenz mit dem Bundesumweltminister Peter Altmaier köstlich: Journalisten fragten Altmaier, ob seine grüne Krawatte eine Verbeugung vor Kretschmann sei. Er antwortete etwas verlegen, die verdanke er der Amtshilfe des Ministerpräsidenten. Kretschmann sprang in die Bresche und schilderte genau, wie Altmaier seine Krawatte verkleckert hatte und da habe er ihm halt geholfen. Er habe ständig welche in der Schublade, weil ihm das auch häufig passiere – schon seine Mutter hätte immer gesagt, er könne nicht anständig essen … Sie können sich die Heiterkeit vorstellen! Solche Sprüche lieben die Zeitungen. Und die Menschen. Richtig gut.
Es sind diese Nebensächlichkeiten, Alltäglichkeiten, die ihn sympathisch machen?
Ja. Mein Mann und ich haben erst gestern drüber geredet, woher diese breite Sympathie für Kretschmann wohl kommt. Ich glaube, viele Leute fühlen sich an Papa Heuss erinnert, wenn sie ihm zuhören. Kretschmann redet in der Tat in der Heuss’schen Manier. Auch so langsam – ihn werden die Journalisten wohl kaum als »schwäbische Schwärdgosch« bezeichnen.
Als Sie sich für Ihr erstes Bundestagsmandat beworben haben, waren Sie schwanger – ich glaube sogar hochschwanger. Aber Sie haben das verheimlicht!
Nein, nicht speziell verheimlicht, nur nicht lauthals verkündet! Unsere Lebensplanung sah für das Jahr 1972 unser erstes Kind und manches andere vor. Dann wurde der Bundestag vorzeitig aufgelöst und man hat mich aufgefordert, mich um ein Mandat zu bewerben. Das hat mich gereizt, ich musste mich schnell entscheiden – und bei der Kandidatenaufstellung war ich dann im achten Monat schwanger. Ich habe das nicht ausdrücklich erwähnt, weil ich, ehrlich gesagt, der Emanzipiertheit unserer schwäbischen Sozialdemokraten nicht getraut habe: Die hätten aus den sieben, die sich bewarben, wohl kaum ausgerechnet die einzige und dazu noch hochschwangere Frau ausgewählt …
Also haben Sie ein bisschen gelogen?
Gelogen keineswegs, die hätten es ja auch selbst merken können! Ich habe nur Stilmittel angewandt, die einer intelligenten Schwäbin in einer solchen Situation einfallen: Ich habe auffallende, groß karierte Jacketts getragen und dazu Schals. Manche Leute haben sich dann natürlich über meinen Kuh-Geschmack aufgeregt. Aber damit konnte ich leben.
War das schwäbische Schlitzohrigkeit?
So kann man es bezeichnen. Ich fand’s köstlich, dass mir ein Freund, selbst mehrfacher Familienvater, drei Wochen vor der Geburt durch seine Sekretärin den Hinweis zukommen ließ, ob es nicht besser wäre, ein bisschen abzunehmen? Drei Wochen später haben wir dann unsere Geburtsanzeige verschickt – das hat zu einem unheimlichen Gelächter geführt.
So ändern sich die Zeiten – heute haben wir Schwangere im Kabinett und keiner stört sich mehr daran.
Im Gegenteil: Heute freuen wir uns über jede Schwangere. Im Hinblick auf Gleichberechtigung und Chancen von Frauen haben wir insgesamt vieles erreicht.
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