Ulrich Kienzle und die Siebzehn Schwaben: Eine Reise zu eigenwilligen Deutschen (German Edition)
Karnevalszeit vom Aachener Karnevalsverein an Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens vergebener Orden
17 Schwäbisch für: kleines Kalb
18 Schwäbisch für: kleine Schnecke
19 Man kann halt nicht aus seiner Haut.
Wolfgang Schäuble Der Schwabe als Badener
Er hat den schwierigsten Job in der Regierung. Aber nichts geht ohne ihn. Wenn er kein Geld herausrückt, können die Ressortminister keine Wähler beglücken. Wolfgang Schäuble hütet den »Bundesschatz«. Er ist der erfahrenste Mann im Kabinett Merkel. Fraktionsvorsitzender war er, zweimal Bundesinnenminister. Kein Abgeordneter sitzt so lange im Bundestag wie er. Fast wäre er Bundeskanzler geworden – Helmut Kohl hat es verhindert. Fast wäre er Bundespräsident geworden – Angela Merkel hat es verhindert. Einen »Unvollendeten« hat ihn deshalb der »Spiegel« genannt. Der alte Knatsch mit Helmut Kohl geht weiter. Kohl kam nicht zu Schäubles 70. Geburtstagsempfang, Schäuble sehr wohl zu Kohls 30. Jahrestag der Kanzlerwahl. Aber er weigerte sich, seinem Intimfeind die Ehrenbriefmarke, die aus diesem Anlass erschienen ist, zu überreichen. Es herrscht Funkstille zwischen den beiden.
Schäuble ist aber trotz der vielen Rückschläge nicht verbittert. Er residiert im Finanzministerium, einst ein Prestigebau der Nationalsozialisten. Der Palast der Republik, der DDR-Vorzeigebau, wurde abgerissen, Görings ehemaliges Machtzentrum dagegen restauriert und renoviert. Da kann man schon mal ins Sinnieren kommen. Hier, wo einst Reichsfeldmarschall Göring Hof gehalten hat, im vierten Stock, wacht Wolfgang Schäuble über die deutschen Finanzen.
Ich treffe ihn zwischen zwei Terminen. Der portugiesische Finanzminister hat sich gerade ein großes Lob für seine Sparsamkeit abgeholt, die portugiesischen Wimpel werden abgeräumt und Wolfgang Schäuble ist zum Gespräch bereit. Trotz der ewigen Euro-Rettung hat er Zeit für ein völlig unwichtiges Thema: Schwaben und Badener. Die haben sich lange einen erbitterten politischen Kampf geliefert. Badenser gegen Schwabenseggl. 1 In Berlin dominieren zurzeit die Badener. Schäuble gilt als solcher. Gleich zu Beginn des Gesprächs lüftet er aber selbst ein gut gehütetes Geheimnis: Er hat schwäbische Wurzeln, seine Eltern waren Schwaben und seine Großmutter. Ich hatte es mir schon immer gedacht. Niemand spricht nämlich das schwäbische »sch« so gefühlvoll aus wie er, der vermeintliche Badener.
HERR SCHÄUBLE, ehrlich gesagt habe ich ein bisschen ein schlechtes Gewissen, Sie mitten in der Eurokrise mit unserem Schwabenthema zu belästigen. Aber das war einmal ein heiß umstrittenes Thema: Schwaben gegen Badener.
Das hat heute eher einen folkloristischen Charakter. Ich bin ohnedies völlig ungeeignet für diese Art von ernst gemeintem Streit – weil meine Eltern Schwaben waren. Ich selbst aber habe immer in Baden gelebt und bin im Herzen ein Badener – fühle mich aber auch in Schwaben zu Hause.
Der Fritz Kuhn 2 hat Sie ja im Bundestag mal als »Badenser« bezeichnet. Und Sie haben mit »Schwabenseggl« gekontert.
Ja gut: »Badenser« ist ein Schimpfwort. Das heißt: Badener. Man sagt ja auch nicht »Frankfurtser«.
Aber »Schwabenseggl« ist schon sehr hart …
Das ist die Antwort, wenn ein Schwabe einen Badener »Badenser« nennt. Da wollte er ihn beleidigen – oder er weiß es nicht besser. Deshalb habe ich ihn dran erinnert, was darauf ein Badener zu sagen pflegt.
Dabei sind Sie doch eigentlich ein schwäbischer Badener.
Was ist Baden? Das ist am Bodensee was völlig anderes als im Schwarzwald. Und im Fränkischen ist es noch einmal ganz anders, oder in der Kurpfalz. Auch die Sprache. Das ist sehr heterogen – wie bei den Schwaben ja auch: Oberschwaben ist was anderes als das Unterland. Ich bin Schwarzwälder! Aber meine Mutter stammt aus Owen – und das ist der Kern von Schwaben.
Bei Kirchheim an der Teck?
An der Teck liegt Owen! Nicht Kirchheim. Kirchheim ist da nur dabei. Kennen Sie die Geschichte von der Königin Elisabeth? Die gehört in ein Schwabenbuch: Als Bundespräsident Heuss 3 mal in London war, hat er zu ihr gesagt: »Wenn Sie mal nach Deutschland kommen, führe ich Sie auf die Burg Ihrer Vorfahren!« 4 Und in diesem Traum hat meine Mutter jahrelang gelebt: dass die Queen mal auf die Teck kommt. Aber nix war’s.
Heuss hat sein Versprechen nicht gehalten?
Nein, er ist mit ihr nach Marbach gefahren. Und dort hat er sie ins Schiller-Museum geführt. Aber sie wollte zu den »horses«.
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