Ultimo
Überdruss?“
„Möglich“, meint der Oberstleutnant, aber sein Instinkt sagt ihm, dass keiner dieser Gründe den Kern der Sache trifft.
Dieses Geheimnis wird zu lüften sein.
Zoff spürt ganz deutlich, dassihm die Klärung des Rätsels von Brechts Rückzug aus der großen Politikvon Nutzen sein würde.
***
In der mondänen Festspielstadt an der Salzach tagen unterdessen Rieders treueste Vasallen. Drei Minister, fünf Landespolitiker und die Getreuen aus der Stadtpartei. Die Abspaltung von den Liberalen ist längst beschlossen. Nun trifft man letzte Vorbereitungen für den großen Coup.
„Wir müssen den Menschen unsere neuen Parteifarben nachdrücklich ins Bewusstsein bringen“,stellt Rieder klar und wirft einen betont optimistischen Blick in die Runde.
Seine Vertrauten nicken im Gleichklang und lassen ihn dabei nicht aus den Augen.
„Wobei es aber schon noch schönere Farben gegeben hätte, als dieses Gelb“, motzt Pressereferent Alexander Grein mit skeptischer Miene, was ihm einen Rüffel des Bundesparteisekretärs einträgt. Ratlos schütteltRieders Mediensprachrohrdie schwarzen Locken, die dem sportlichen Mann Mitte 30in die Stirn fallen, ergreift eines der vielen gelben Polohemden, die sich vor ihm auf demdunklen Eichentisch stapeln, schnuppert daran und hält es hoch. „Was assoziiert man denn mit so einer Farbe?“
Der knapp 60-jährige Leiter des Bildungshauses grinst.Ertippe auf Zitronen, sagt er, und leert sein Mineralwasser in einem Zug.
Dasbringt Bundesparteisekretär Paul Freiherendgültig auf die Palme. „Gelb symbolisiert die Sonne“, erwiderter verärgert, fährt sich durchsakkurat zurückgekämmte rostbraune Haar und nippt an seinem Rotweinglas. „Gelb ist eine warme, eine kraftvolle Farbe. Das sagt jedenfalls unsere Werbeagentur, und die hat uns immer noch gut beraten. Mit diesem Gelb sind wir der Mittelpunkt der politischen Landschaft. Wir sind die Partei, um die sich alles dreht. Deshalb wünsche ich, dass sich alle Funktionäre und Sympathisanten mit Utensilien in dieser Farbe eindecken. Krawatten, Stecktücher, Hemden und so weiter.“
„Solange du nicht auf gelbe Socken und gelbe Unterhosen bestehst, ist dagegen ja nichts einzuwenden“, flachst Grein, steckt seine teure Rolex ein und bindet sich eine billige Uhr mit gelbem PlastikbandumsHandgelenk.
„Schluss mit den Kindereien. Ihr tut genau das, was Paul sagt“, knurrtRieder, leert sein Glas und lässt sich von seiner Sekretärin ein frisch gefülltes bringen.
Totenstille. Die gute Stimmung ist dahin. Nun wäre Smalltalk angesagt. Leichte, unverfängliche Plauderei. Stattdessen meldet sich der Verteidigungsminister zu Wort und erkundigt sich nach den polizeilichen Erhebungen zum Brandanschlag vom Freitag.
Die Exekutive arbeite mit Hochdruck, erwidert Rieder barsch. Bisher allerdings noch ohne Ergebnis.
Man habe von einem Drohbrief gehört, setzt der Minister nach.
Rieder wiegelt ab. Es handle sich um ein eher wirres Schreiben.Womöglich um ein Zitat.
Der Verteidigungsminister lässt sich nicht abwimmeln. Obder Text geheim sei?Wenn nicht, würde er ihn gerne hören.
Rieder ziert sich. Das Original liege bei der Polizei, erklärter. Er besitzenur noch eine Kopie. Bisher habeer den Inhalt des Schreibens auch bloß mit demBundesparteisekretär erörtert, aber wenn Interesse daran bestehe, leseer die Nachricht eben vor. Unwillig greift er in die Innentasche seines dunklen Sakkos und holt einen Zettel hervor.
„ Dass der Tod uns als letzte Stunde erscheint “, zitiert er laut und in bewusst gleichgültigem Tonfall, „ liegt daran, dass wir allzu viel aus uns machen. Wir denken, die ganze Welt litte einigermaßen durch unsere Vernichtung und trüge an unserem Zustande ein Mitleiden .“
Nicht nur derMinister, auch alle anderenim Saal halten die Luft an und haben Mühe, ein Schmunzeln zu unterdrücken.
Erstes Hüsteln wird hörbar.
„Das ist alles?“
„Das ist der Brief“, bestätigt der Oberbürgermeister kühl, stecktihn ein und trinkt sein zweites Glas leer.
„Willst du noch etwas?“, flötet Susanne Vogt und hält ihm wie der Blitz ein weiteres gefülltes Rotweinglas unter die Nase.
Gedankenverloren nimmt es der Oberbürgermeister in Empfang. „Ausnahmsweise. Sehr aufmerksam von dir. Danke, Susi“, lächelt er, und sie lächelt zurück.
Der beleibte Umweltminister findet das Schreiben eigenartig.
Was daran wohl eigenartig sei, will Paul Freiher wissen. Immerhin sei darin von Vernichtung die
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