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Ultimo

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Titel: Ultimo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Vertacnik
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und schließt die Augen.
    „Du bist der größte Literaturexperte, den ich kenne“, schmeichelt ihm sein Sohn. „Wenn du mir den Autor dieser tiefgründigen Zeilen verraten könntest, wäre ich überglücklich. Du wirst es doch für mich herausfinden, oder?“
    „Möglicherweise. Das ist nämlich gar nicht so einfach“, seufzt der Alte mit gerunzelter Stirn und fixiert die Bücher, die sich auf Regalen, Sitzmöbeln und am Fußboden des Wohnzimmers stapeln. „Schließlich gibt es mehrere Philosophen, die sich mit dem Tod beschäftigt haben. Das ist ein großes Thema, der Tod.“
    „Bei diesen Zeilen handelt es sich aber um kein allseits bekanntes Zitat, Vater“, erkundigt sich Zoff leise. „Oder irre ich mich?“
    Zoff Senior überlegt. „Da liegst du richtig“, erwidert er. „Trotzdem. Ich habe das schon einmal wo gelesen.“
    „Na, das ist doch etwas. Denk nach. Es ist wichtig.“
    „Irgendwie klingt das fast nach einem Philosophen, mit dem sich der große Thomas Bernhard zeit seines Lebens beschäftigte. Einem außergewöhnlichen Genie.“
    „Schopenhauer?“
    „Ich rede von Montaigne. Schon einmal von ihm gehört?“
    „Flüchtig. Einer der großen Skeptiker.“
    „Richtig. Er erfand den Essay, den lehrhaften Aufsatz.“
    „Und er philosophierte über den Tod?“
    „Über den Tod und über menschliche Schuld. Er misstraute der sogenannten Gerechtigkeit. Der kirchlichen sowieso,der weltlichen noch mehr. Er meinte, wir Menschen seien gar nicht in der Lage, über andere gerecht zu richten. Ja. Je mehr ich darüber nachdenke, destosicherer bin ich, dass das gesuchte Zitat aus seiner Feder stammt.“
    „Und du besitzt seine Essays?“
    „Selbstverständlich. Das sind Schätze. Perlen der philosophischen Literatur.“
    „Würdest du sie mir für ein paar Wochen leihen? Ich muss sie studieren.“
    „Wenn du willst, übernehme ich das für dich. Ich kopiere die Seite, falls ich die Stelle finde.“
    „Großartig. Wie würdest du übrigens jemanden charakterisieren, der ein Zitat von Montaigne als Drohbrief verwendet?“
    „Als klug. Wer Montaigne liest, beschäftigt sich mit dem Innersten des Menschen, mit dem, was wir als gut und böse bezeichnen, und immer wieder auch mit dem Sterben.“
    „Das passt aber nicht. Das passt ganz und gar nicht.“
    „Wozu passt es nicht? Zu deinem ersten Eindruck? Du weißt ja, was ich von voreiligen Schlüssen halte.“
    „Klar. Aber Benno Brecht hat sich mit serbischen Kriminellen eingelassen. Mit Typen, die wir einen Tag vor seinem Tod festnehmen konnten. Die Schüsse in Augen und Mund deuten darauf hin, dass es sich bei der Tat um so etwas wie Rache gehandelt hat. Um die Hinrichtung eines Verräters.“
    Zoffs Vater schüttelt den Kopf.
    „Ich halte es für ziemlich ausgeschlossen, dass serbische Kriminelle Montaigne lesen“, meint erund legt den Zettel auf den Tisch.
    „Eben“, seufzt Zoff, faltet das Blatt wieder zusammen und steckt es ein. „Wäre trotzdem toll, wenn du das Zitat in den Essays finden würdest.“
    Nina und Julia kommen aus der Küche und leisten den beiden Männern Gesellschaft.
    Draußen bricht langsam die Dämmerung an.Zeit, an die Heimreise zu denken. Sie trinken noch eine Tasse Kaffee miteinander und verabschieden sich.
    Eine Viertelstunde später ist Zoff schon wieder auf demWeg nach Hause.
    ***
    Ein Waldweg im Salzburger Vorort Anif. Auch hier schickt sich die Sonne an, langsam unterzugehen.
    Erschöpft traben zwei Jogger nebeneinander zurück auf die Gemeindestraße.
    „Lauf nicht so schnell“, keucht der Oberbürgermeister und bemüht sich, an seiner Partnerin dranzubleiben.
    „Die Grazer Kollegen ermitteln in Richtung Serbien“, erzählt Bettina Wagner schnaufend und reduziert tatsächlich das Tempo.
    „Serbien. Blödsinn. Benno hatte keine Verbindungen in den Osten“, ärgert sich Rieder.
    „Er hat Drogendealer aus Serbien gedeckt“, widerspricht die hohe Polizeibeamtin angewidert. „Dieses verdammte Arschloch.“
    „Das behauptet ihr, aber das kann ich nicht glauben“, kontert Rieder und wischt sich den Schweiß von der Stirn. „Benno hatte genug Geld.“
    „Genug? Benno? Der hat doch sogar in die Parteikasse gegriffen.“
    „Aus einer Notlage heraus. Wegen Spielschulden. Er hat die Nerven verloren, und ich habe die Konsequenzen gezogen.“
    „Du hast ihn nie angezeigt.“
    „Er hätte eine große politische Karriere machen können, das wusste er.Es war Strafe genug, dass sie ihm wegen dieser Sache

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