Ultimo
übergeben“, führtder Analytiker seine Gedanken weiter. „Meines Erachtens hat der Überbringer des Briefs mit der ganzen Sache nichts zu tun. Unser intelligenter Täter hat Brecht den Brief aber auf diese seltsame Art und Weise zukommen lassen.“
„Er hätte ihn auch mit der Post schicken können“, prescht Polli vor. „Wieso hat er das nicht getan? Was wollte er mit dieser Art der Übergabe erreichen?“
„Der Poststempel hätte uns einen Hinweis darauf geben können, wo der Brief abgesendet wurde, aber der Täter wollte keine Spuren hinterlassen“, sinniert Zoff. „Könnte das der Grund gewesen sein?“
„Eventuell“, stimmt der Analytiker zu. „Aber da gibt es noch eine Möglichkeit. Ein Drohbrief, überbracht auf der Ausreisespur. Was kann so etwas noch bedeuten?“
„Dir droht Böses durch einen, der ausreist, oder durch jemanden, der weggegangen ist“, murmelt Zoff. „Interessanter Gedanke.Gefällt mir.“
Wieder läutet Zoffs Telefon. Ein Blick auf das Display zeigt ihm, dass Marlene noch einmal anruft, und er schaltet kopfschüttelnd ab.
„Die Schüsse in Augen und Mund. Wie passen die in unser Bild?“, fragter nach einer Weile und fixiert dabei den Fußboden.
„Zu viel gesehen und zu viel geredet“, meint der Profiler mit einem Achselzucken.
„Würde ganz gut zu den Serben passen“, brummt Zoff. „Alles ließe sich ganz gut vernetzen, gäbe es da nicht diesen verdammten Drohbrief und dieseblöden Benzinkanister.“
„Und die Streichholzschachtel“, ergänzt der Analytiker und streicht sich gedankenverloren über den Bart.
Polli will aufbrechen. Es gäbe eine Menge Kollegen zu befragen, sagt er. Das sei zeitaufwendig und auch überhaupt nicht angenehm.
Zoffnickt. Brechts Stellvertreter,dieserKontrollinspektor Neumeier fällt ihm ein.„Ist der Mann schon angezeigt?“
Polli nickt. „Der Mann ist suspendiert und seine Gattin hat ihn zum Teufel gejagt. Neumeier lebt jetzt in Graz. In der Wohnung seiner Tochter.“
„In der Wohnung der Tochter? Na, die wird sich freuen.“
„Das Mädchen ist als Animateurin in einem Ferienklub unterwegs. Das Appartement stand leer.“
„Hast du ihm gesagt, dass er sich zu unserer Verfügung zu halten hat?“
„Selbstverständlich.“
Zufrieden beendet Zoff das Palaver. Er muss zur Offiziersbesprechung. Der Leiter des Bundeskriminalamts hat sich angekündigt. Er hält einen Vortrag über die neuen Richtlinien zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen BKA und den Landeskriminalämtern.
„Klingt ziemlich spannend“, grinstPolli.
„Du entwickelst dich zum Zyniker“, grollt Zoff und erhebt sich. „Hat der Verbindungsbeamte aus Zagreb schon von sich hören lassen?“
„Noch nicht.“
„Hoffentlich beeilt er sich.“
„Kann eigentlich nicht mehr lange dauern. Viel Spaß bei der Häuptlingskonferenz.“
„Raus mit euch. Sobald ich den Vortrag überstanden habe, melde ich mich wieder.“
***
Kurz nach zehn fällt das Thermometer ganz dramatisch.
In Sankt Pölten beginnt es zu schneien.
Ein eisiger Wind weht dem Abgeordneten Spitzer dicke nasse Flocken ins Gesicht.Sie sammeln sich in seinem schon deutlich ergrauten Haar und an der Oberfläche des grauen Schals, den er über seinem schwarzen Anorak trägt.
Die beiden jungen Burschen in ihren olivgrünen Militärparkas ziehen Kapuzen über ihre kahlen Köpfe.Mit ihren dicken Jeans und den Springerstiefeln sind sie gegen Wind und Wetter bestens geschützt. Allwettertauglicher als die österreichische Luftwaffe, motivierter als das Gros des österreichischen Bundesheers. Jedenfalls nehmen sie das plötzliche Schneegestöber eher fatalistisch zur Kenntnis.
„Wenn du willst, machen wir ihn alle“, versichert der Hüne an der rechten Seite des Politikers seinem Herrn und Meister, und der junge Mitläufer links von Spitzer nickt und grinst.
Mit finsterem Gesicht überquert der Abgeordnete mit seinen jungen Begleitern die Straße, wirft einen Blick zurück und mustert das junge Paar, das ihnen in einem Abstand von etwa zehn Schritten folgt. Einfühlsam hält der Mann mit Mütze und dunkler Daunenjacke einen großen schwarzen Regenschirm über diefrierende junge Frau undihren Kinderwagen. Ein sympathisches Bild. Trotzdem hat Spitzer ein ungutes Gefühl. Unsinn, beruhigt er sich.
„Also. Was ist nun? Sollen wir loslegen?“
„Abwarten“, knurrt der Abgeordnete und geht weiter. „Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.Wenn unsere Klage Erfolg hat, kommen sie ja doch
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