Ultimo
schluckt er eine Pille.
Danach geht es ihm relativ rasch wieder besser.
***
Halb sieben. Gähnendklettert im Hotel Marriott bei Unterpremstätten Paul Freiher aus dem Bett, zieht sich eine lange Laufhose und ein langärmeliges Oberteil über, streiftsich seine Uhr aufs Handgelenk und fährt mit dem Lift in die Eingangshalle. Dort unterhält er sich mit dem Portier und wartet bis zehn nach sieben.
Als sich dannimmer noch niemand blicken lässt, verlässt er das Hotel über den Haupteingang, wendet sich nach rechts und läuft über den Kiesweg des weitläufigen Parks nordwärts, bis er auf die wenig befahrene Regionalstraße stößt, die rechter Hand zu einem bekannten Freizeitzentrum und dann weiter in Richtung Flughafen führt. Links liegtUnterpremstätten, die kleine aufstrebende Wohngemeinde am Rande der steirischen Landeshauptstadt Graz.
Zielstrebig biegt Freiher rechts ab und trabt am rechten Straßenbankett den Maschendrahtzaun entlang nach Süden. So wie gestern ist auch heute weit und breit niemand zu sehen. Weder Autos noch Fußgänger, nicht einmal Radfahrer. Natur pur, sozusagen. Tief einatme n. So reine Luft bekommen die Lungen ganz selten. Gedankenverloren ziehtder Salzburger Politiker seinen Apple iPod aus der Hosentasche und setzt die kleinen Ohrhörer auf. Er hört Rockmusik. Der Rhythmus ist ideal fürs Laufen. Die Beine scheinen heute schwerer zu sein als sonst. Er hätte gestern nicht so viel saufen sollen. Das heißt, gar so viel war das auch wieder nicht. Fünf oder sechs Gläser Bier, und ein wenig Whiskey. Und dieser Cocktail. Brandy Alexander, oder wie das Zeug hieß. Angeblich einer von John Lennons Lieblingsdrinks. Scheußliches Gesöff.
Wind weht über die Felder, und es riecht nach Regen. Unwillig zieht der Laufsportler den Kopf ein und trottet locker dahin. Rechts neben ihm säumt eine Buschreihe die Straße. Dahinter befindet sich etwas Gehölz. Freiher drehtgerade die Musik etwas lauter und weicht einer Reihe von Pfützenauf die Fahrbahn aus, als er aus einer bösen Ahnung heraus die Kopfhörer abnimmt und einen Blick über die Schulter wirft.Ein weißes Golf Cabrio fährt etwa zehn Meter hinter ihm rechts ran und hält. Was will denn die Karre da? Eigenartig. Misstrauisch zieht Freiher den Kopf ein undläuft weiter, nun aberwesentlich flinker als zuvor.So, als wolle er vor etwas fliehen. Dann blitzt hinter ihm etwas auf. Ein Lichtreflex.
DerBolzen trifft ihn im Kreuz. Er durchschlägt seine Gedärme und die Pfeilspitze tritt eine Handbreit unter dem Bauchnabel wieder aus dem Leib. Der Bundesparteisekretär macht noch drei Schritte,taumelt,breitet die Arme aus, ächzt und stürzt.Dann liegt er seitlich verdreht auf demAsphalt.Er lebt noch, und seine Beine zucken müde wie die Schwanzflossen eines harpunierten Fischs, als der Wagen näher heranrollt. Der Schmerz überfälltden Schwerverletzten schlagartig und ist so heftig, dass ihm die Tränen aus den Augen schießen, und er beinahe das Bewusstsein verliert. Ein schreckliches Stöhnen quält sich aus seinem Mund.In diesem Augenblick kommt das Cabrio dicht vor seinem Kopf zum Stehen.
Ein paar Wimpernschläge lang ist es völlig still, und Freiher überlegt fieberhaft, wer ihm das hier gerade antut. Ein Gedanke kommt ihm. Ein entsetzlicher Gedanke. Kann das sein? Unmöglich. Oder doch? Wind kommt auf und weht ihm die Haare aus dem Gesicht.
Laut heult ein Motor auf. Vier Räder setzen sich in Bewegung.
Sekundenbruchteile später drücken mehr als 1.000Kilogramm Blech, Stahl und Gummi Freihers Schädel zu Brei.
***
Flughafen Wien-Schwechat, kurz nach acht.
Sie trinken Tee, undBillek labert ihm gerade über die Vorzüge von Lederklamotten die Ohren voll, als Zoffs Telefon läutet. Mord vor dem Hotel Marriott? Der Bundesparteiobmann der Unabhängigen Demokraten? Hört sich gar nicht gut an.
„Du musst die Sache in Belgrad leider alleine schaukeln“, teilt er seinem Kollegen mit und steckt das Mobiltelefon weg.
Der Kontrollinspektor schluckt. „Wie meinst du das?“, fragter und nestelt unsicher an den Knöpfen seines dunkelbraunen Ledermantels.
„Du fliegst solo. Paul Freiher wurde ermordet. Ich muss zurück nach Graz, genauer gesagt, nach Unterpremstätten. Sofort.“
„Schon wieder einer aus Rieders Umgebung. Glaubst du, das hängt mit dem Fall Brecht zusammen?“
Zoff antwortet mit einem Achselzucken.
Billek will aber nicht allein nach Belgrad. Die Leute da unten seien ihm suspekt, jammert er. Inklusive
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